Kein Abschalttermin: UKW-Aus erst, wenn alle es wollen
Das "böse A-Wort" ist vom Tisch. Die Politik will keinen weiteren Versuch mehr in Deutschland unternehmen, das analoge UKW-Radio zu einem von oben festgelegten Tag X abzuschalten. Die Migration von UKW zum Digitalradio DAB+ soll dennoch fortgeführt werden. Dies bekräftigten alle Teilnehmer des Branchentreffens "DAB+ im Dialog" in Berlin. UKW würde aber erst dann abgeschaltet, wenn alle Marktteilnehmer sich darauf verständigt haben.
Medienstaatssekretärin Heike Raab: Die Zukunft des Radios ist digital
Panel auf dem Branchentreffen "DAB+ im Dialog"
Foto: Michael Fuhr
"Ich bin fest überzeugt, dass die Zukunft des Radios digital ist", betont die Bevollmächtigte für Medien, Staatssekretärin Heike Raab, die aus Mainz per Video zugeschaltet war. "Immer mehr Menschen besitzen DAB+-Empfangs-Geräte, immer mehr öffentlich-rechtliche Anstalten und private Anbieter senden ihre Radioprogramme über DAB+". Aktuell nutzten noch gut die Hälfte aller Hörer den analogen UKW-Empfang. Aber die Welt des digitalen Radios entwickele sich zügig, allein in den letzten beiden Jahren seien 15 bundesweite DAB+-Sender online gegangen, neun von zehn Neuwagen haben ein DAB+-Radio in der Serienausstattung. "Angesichts dieses sehr deutlichen Trends hin zur digitalen Radionutzung müssen alle Beteiligten sich gemeinsam darauf verständigen, wie der Umstieg aktiv gestaltet werden kann."
Das betreffe zum Beispiel die Frage, wie ein mittelfristiger Ausstieg aus der analogen UKW-Technik ausgestaltet werden könnte. "Auch der Umgang mit freiwerdenden UKW-Frequenzen muss sinnvollerweise einheitlich geregelt werden", so die Staatssekretärin weiter. "Zu diesen Fragen liegen uns mit dem Bericht der Sondierungsgruppe des Digitalradio-Boards gute Vorschläge vor. Auf dieser Basis können nun gemeinsam mit den beteiligten Anbietern die konkreten weiteren Schritte beraten werden."
Raab unterstrich: "Neben den bekannten Vorteilen des Digitalradios wie rauschfreier Empfang, Zusatzinformationen zum Programm und Entfallen langwierigen Sende-Suchlaufs gibt es einen weiteren Vorteil der digitalen Radio-Technik, für den ich mich einsetzen möchte: DAB+-Geräte können eine Alarmfunktion bieten, die Radios bei Naturkatastrophen und anderen Notlagen einschaltet und so automatisch Warnmeldungen verbreitet. Anders als Mobilfunk-Masten verfügen Radiosender über eine Notstromversorgung, sodass die Warn-Funktion über DAB+ ein wichtiger Beitrag im Katastrophenschutz sein kann."
Kompromiss: Frei werdende UKW-Frequenzen sollen nicht mehr mit neuen Programmen bespielt werden
Einer der Knackpunkte ist bisher, wie mit frei werdenden UKW-Frequenzen, die von öffentlich-rechtlichen und privaten Veranstaltern zurückgegeben werden, künftig umgegangen wird. Wie Panel-Teilnehmer der Veranstaltung bekannt gaben, sei hier nun ein Kompromiss erarbeitet worden.
Freie UKW-Kanäle sollen künftig nicht mehr für neue Programme ausgeschrieben werden, können aber noch zur Schließung von Versorgungslücken von bestehenden Programmanbietern genutzt werden. Dieser Vorschlag wurde von der ARD und dem privaten Hörfunkunternehmen Regiocast erarbeitet, wie Dr. Ulrich Liebenow, Leiter der AG Digitalradio bei der ARD und Rainer Poelmann, Sprecher der Geschäftsleitung bei Regiocast, bestätigten.
Arbeit des Digitalradio-Boards soll wieder aufgenommen werden
Mehrere Panel-Teilnehmer bekräftigten, die Arbeit des "Digitalradio-Boards" zur Umstellung von UKW zu DAB+ wieder aufnehmen zu wollen. Zuvor hatten vier Arbeitsgruppen Handlungsfelder identifiziert, die unter den Marktbeteiligten weiter abgestimmt werden sollen. Die Fachgruppen sind mit Vertretern des öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunks sowie Medienanstalten besetzt und bearbeiten die Themen "Stilllegung von UKW-Frequenzen", "Förderung der Privatradios", "Datenerhebung zu DAB+" und "Gemeinsame Bewerbung von DAB+". Das Board habe in Vergangenheit hervorragend gearbeitet. Ein erreichtes Ziel sei die so genannte Interoperabilitätsrichtlinie als wichtiger Meilenstein. Seit Ende 2020 müssen alle Autoradios und viele stationäre Geräte Zugang zum Digitalradio DAB+ bieten.
Noch ein langer Weg zum Umstieg
Bei der Frage, wo man im Moment beim Umstieg auf DAB+ stehe, herrschte Uneinigkeit. Stefan Raue, Intendant des Deutschlandradios sagte, man sei aktuell in der Simulcast-Phase, in der die meisten Hörfunkveranstalter parallel auf UKW und DAB+ senden. Die Migrationsphase sei eingeleitet, nachdem Deutschlandradio bereits 22 UKW-Frequenzen abgeschaltet habe. Ein langer Simulcast verursache aber erhebliche Kosten, daher seien schnelle Migrationsprozesse wichtig.
Marco Maier, Vorsitzender des Fachbereichs Radio und Audio im Verband Vaunet, sieht den Umstieg in einem Jahreszyklus aber erst "irgendwo am Beginn des Frühlings". Es seien viele Fragen noch ungeklärt, unter anderem, wie die von UKW bekannte Regionalisierung von Radioprogrammen sinnvoll auf DAB+ abgebildet werden kann. Die privaten Radios benötigten fürs Erste 60 Millionen Euro an Fördermittel für die Umstellung.
Olaf Hopp, CEO Germany der NRJ Group (Energy) sagte, aktuell sorge DAB+ im Werbebereich nur für Erlöse von 15 bis 20 Prozent. Das meiste Geld werde noch mit UKW verdient.
Die italienische RAI strebt ein Ende von UKW für 2030 an.