teltarif hilft: Unitymedia-Kunde erreicht keine IPv4-Adressen
Dual-Stack Lite führt bei Unitymedia-Kunden zu Störungen
Bild: Unitymedia /Montage: teltarif.de
Wer sich ein wenig mit Internet-Technik auskennt, weiß seit Jahren, dass die IPv4-Adressen schon lange vergeben sind und in Zukunft nur noch neue IPv6-Adressen zur Verfügung stehen. Weniger bekannt ist, dass von dieser Umstellung insbesondere deutsche Kabelnetzbetreiber und deren Kunden in technischer Hinsicht betroffen sind. Denn Kabelnetzbetreiber wie Unitymedia/Vodafone verwenden seit Jahren mit Dual-Stack Lite ein problembehaftetes Protokoll.
In der Regel sollte ein Internet-Kunde sich darauf verlassen können, dass er mit seinem gebuchten und bezahlten Internet-Zugang alle Webseiten erreichen kann - für die funktionierende Technik dahinter ist der Netzbetreiber zuständig. Ein Vodafone/Unitymedia-Kunde konnte aber wichtige Internet-Seiten, unter anderem teltarif.de, gar nicht erreichen - und bat um Hilfe.
Das Problem der Adressknappheit bei Unitymedia
An unsere Redaktion schrieb der vormalige Vodafone-DSL-Kunde Anfang März:
Ich habe seit 2011 einen DSL Vodafone-Anschluss. Dieser wurde zum 25.2.2020 auf Unitymedia-Kabel-Anschluss umgestellt. Seitdem kann ich praktisch nie Verbindungen ins Internet aufbauen, die zu IPv4-Adressen führen (unter anderem auch teltarif.de, aber sehr viele andere Internetseiten und Internetdienste einschließlich Mail etc.). Gelegentlich klappt das, aber meistens nicht. [...] Dieses Problem ist bekannt und ist darauf zurückzuführen, dass Unitymedia wohl mehr Kunden als IPv4-Adressen hat und daher der Tunneldienst überfordert ist. User berichten übereinstimmend, dass dieses Problem durch Unitymedia gelöst werden kann, allerdings müssen die tätig werden. Irgendwelche Aktivitäten am eigenen Router bewirken leider nichts.Unbekannt ist dieses Problem beileibe nicht. Im alten Unitymedia-Community-Forum gibt es sogar einen Blogeintrag Was es über IPv4 und IPv6 zu wissen gibt [Link entfernt] , der das Thema allerdings nicht erschöpfend behandelt.
Nachdem dort das Problem der IPv4-Adressenknappheit geschildert wurde, gibt Unitymedia zu, man habe bereits 2012 "die sogenannte Dual-Stack Lite Methode, auch DS Lite genannt, eingeführt. Bei dieser erhält jeder Anschluss mehrere öffentliche IPv6-Adressen sowie eine zusätzliche IPv4-Adresse, die von bis [zu] 60 Usern genutzt werden kann. Auf diese Weise können IPv4- sowie IPv6-Inhalte aufgerufen werden."
Für "die meisten Anwendungsfälle" funktioniere "diese moderne Methode" ohne Einschränkungen. Jedoch gebe es auch einige Spezialfälle, bei denen DS Lite aktuell noch Probleme verursache. Zum Beispiel könnte von unterwegs der Zugriff auf das Heimnetzwerk fehlschlagen, da in Mobilfunknetzen und je nach verwendetem Endgerät nur IPv4 zur Verfügung steht. Aus den genannten Gründen gebe es teilweise auch Probleme, wenn der Kunde sich per VPN von zu Hause aus mit dem Firmennetzwerk verbinden will.
Dual-Stack Lite führt bei Unitymedia-Kunden zu Störungen
Bild: Unitymedia /Montage: teltarif.de
Kostenpflichtige Option für funktionierenden Anschluss?
Unser Leser beschrieb sein Problem weiter:
Teilweise berichten Kunden auch darüber, dass Sie eine Zusatzoption buchen mussten (3 Euro/Monat), damit es wieder funktioniert, was ich eigentlich auch nicht in Ordnung finde, in meiner Verzweiflung allerdings sogar machen würde, wenn Unitymedia irgendwie mal antworten würde. [...] Es sind die Seiten, die auf IPv4 basieren, betroffen, die anderen funktionieren. VPN klappt auch nicht. An manchen Tagen war es praktisch die ganze Zeit, da sind wir dann übers Handy ins Internet. Zwischendurch läuft es auch mal wieder eine Weile am Stück. Das Ganze ist seit dem 25.2.2020. An dem Tag wurden wir von DSL auf Kabel umgestellt.Das Problem bei der ganzen Geschichte war: Dem Leser wurde bei Vertragsabschluss versichert, dass "alles genauso bleibt wie bisher" bei Vodafone-DSL, er benötige "nur einen anderen Router" und dann würde "das Internet dann schneller laufen". Der Zugang zur FRITZ!Box von außen (wie vorher) funktionierte aber nach der Umstellung beispielsweise überhaupt nicht. Einige Tage später berichtete der Kunde dann:
Heute bekam ich einen Rückruf von Vodafone, den ich leider nicht entgegen nehmen konnte. Mir wurde auf der Mailbox eine Nachricht hinterlassen, dass ich eine Option von 3 Euro/Monat dazubuchen müsse, damit auch Webdienste, die nicht über eine IPv6-Adresse verfügen, [funktionieren] (und das sind ja die meisten, Vodafone/Unitymedia sind auch nicht über IPv6 erreichbar). Grundsätzlich finde ich es schon dreist, wenn man bei einem Internetzugang extra bezahlen muss, damit er auch funktioniert. Nach zwei Rückrufversuchen meinerseits konnte ich letztlich diese Option nach 30-minütiger Wartezeit bestellen und in Kürze soll der Internet-Zugang dann funktionieren. Ich melde mich noch, ob das klappt, finde es aber schon etwas komisch, dass ein funktionierender Internet-Zugang 3 Euro/Monat mehr kostet.
Erste Freude währte nur kurz
Selbstverständlich hatte teltarif.de die Sache nicht nur wunschgemäß an Unitymedia/Vodafone weitergeleitet, sondern parallel Recherchen eingeleitet. Die Zusatzoption, die der Kunde buchen sollte, ist die 2018 eingeführte Option "Power Upload". Mit der "Power Upload"-Option erhöht der Kabelnetzbetreiber den Upstream auf das Doppelte des tariflichen Upstreams - und mehr wird bei der Option auch gar nicht versprochen. Von der ganzen Dual-Stack-Thematik war auf der mittlerweile abgeschalteten Buchungsseite bei Unitymedia nichts zu lesen.
Wir fragten also nach, ob tatsächlich ein offiziell nicht kommunizierter Zusammenhang zwischen diesen beiden Themen besteht, doch es dauerte etwas, bis Unitymedia uns antwortete. Zwischenzeitlich wurde unser Leser dazu verpflichtet, im Home-Office zu arbeiten, was das Problem nur noch verschärfte. Nachdem die Option gebucht war, meldete uns der Kunde:
Kleines Update, ich habe jetzt Dual-Stack und es sieht so aus, als ob das Problem behoben ist. Bin mal gespannt, ob man wirklich so dreist ist, mir dafür eine zusätzliche Gebühr zu berechnen, nur damit das Internet funktioniert. [...] Seit der Umstellung habe ich auch durchgehend eine IPv4-Adresse, und sogar bislang seit gestern immer dieselbe. [...] Eine Rechnung für den (nicht funktionierenden) Zugang habe ich schon bekommen, das funktioniert super bei denen.Nach einigen Tagen stellte sich dann aber heraus, dass Unitymedia nur den Power-Upload und nicht das Dual-Stack ordentlich für den Anschluss freigeschaltet hatte, es kam zu erneuten Erreichbarkeitsproblemen. Inzwischen waren drei Personen im Home-Office auf das Funktionieren dieses Anschlusses angewiesen. Auch die Umschaltung der Rufnummern von DSL auf den Kabelanschluss hatte nicht reibungslos funktioniert.

Foto/Logo: Unitymedia, Grafik/Montage: teltarif.de
Kunde bedankt sich bei unserer Redaktion
Erst nachdem teltarif.de erneut in der Sache bei Unitymedia intervenierte, konnte der Kunde melden:
Heute rief mich eine Dame von Unitymedia/Vodafone an, die mir sagte, dass sie von der Presseabteilung informiert wurde, was sicher auf Ihre Initiative zurück geht. Sie entschuldigte sich zunächst, dass es so lange gedauert hat. Sie hat mir gesagt, dass sie veranlasst, dass mir für die nächsten 24 Monate die Zusatzkosten, die mir dadurch in Rechnung gestellt wurden/werden, um den Anschluss so zu nutzen, wie es vereinbart ist, gutschreiben wird. Auch die fehlende Rufnummer wird wieder aktiviert. Das soll wohl ab morgen so sein. Wenn das so kommt, hat mir Ihre Intervention sehr weiter geholfen, vielen Dank.Für unsere Intervention in der Geschichte bedanke sich der Kunde wie folgt bei unserer Redaktion:
Die Dame, die die Pressestelle auf Ihr Betreiben hin engagiert hat, ist wirklich gut. Es funktioniert alles und sie hat heute auch noch zugesagt, sich um die Telefonbucheinträge zu kümmern. Sie ruft auch tatsächlich zurück, wenn sie das verspricht und setzt die Dinge sofort direkt um. Aktuell sieht es so aus, dass mein Problem gelöst ist. Ob das mit den Rechnungen jetzt auch so eingehalten wird, wie versprochen, weiß ich noch nicht, bislang hat die Dame aber wirklich alle Zusagen schnell eingehalten. Vielen Dank für Ihre Intervention, sie hat mir sehr geholfen.
Die technische und tarifliche Erläuterung von Unitymedia
Gleichzeitig mit der Lösung des Problems meldete sich auch Unitymedia mit einem längeren Statement bei uns. Zunächst ging es um den konkreten Fall des Kunden:
Das Wichtigste zuerst: Der Anschluss von Herrn H. sollte wieder einwandfrei funktionieren. Wir haben bei der Umstellung bedauerlicherweise nur eine Rufnummer in seinem Kundenkonto hinterlegt und zwischenzeitlich die noch fehlenden Rufnummern aktiviert. Aus Kulanz erhält Herr H. von uns eine Gutschrift. Falls er weiterhin Verbindungsabbrüche hat, müsste er sich am besten nochmals bei mir melden, damit ich das vielleicht noch mal gesondert betrachten lassen. Der Anschluss ist auf jeden Fall in Ordnung.Dann äußerte sich Unitymedia zum technischen und tariflichen Hintergrund der Geschichte:
Neukunden im Privatkundensegment erhalten bei Unitymedia bereits seit 2012 eine IPv6-Adresse zugewiesen, weil unser Vorrat an IPv4-Adressen begrenzt ist. Eine Ausnahme bilden Geschäftskunden. Diese erhalten stets eine IPv4-Adresse zugewiesen, weil diese Kundengruppe vergleichsweise klein ist. Wenn Bestandskunden auf einen neuen Tarif umsteigen, behalten sie auf Wunsch ihre IPv4-Adresse.Die meisten Betriebssysteme und Anwendungen verfügen heute über eine zusätzliche IPv6-Implementierung, sodass eine direkte Kommunikation zwischen den Protokollen möglich ist. Liegt keine IPv6-Implementierung vor, müssen zwischen IPv4 und IPv6 Übersetzungsarbeiten stattfinden. Dazu wendet Unitymedia das Dual-Stack-Lite-Verfahren (DS Lite) an, um eine Kommunikation zwischen IPv4 und IPv6 zu ermöglichen. IPv4-Pakete werden dabei in ein IPv6-Paket gepackt und über den IPv6-Anschluss zu einem Address Family Translation Router oder Carrier-grade-NAT-Gerät gesendet. Dort wird das IPv4-Paket wieder entnommen und in die öffentliche IPv4-Welt versendet. Das ist übrigens schon seit Jahren bekannt [...].
Falls es zu Problemen bei der Kommunikation zwischen IPv4- und IPv6-Anwendungen kommt, sind aus unserer Sicht insbesondere die Inhalte- und Dienste-Anbieter gefordert, ihre Angebote durchgängig über IPv6 erreichbar zu machen. Aus Kulanz und im Rahmen einer Einzelfallprüfung haben wir in der Vergangenheit im Bedarfsfall einigen Neukunden auch eine IPv4-Adresse zugewiesen. Mittlerweile können Vodafone-Kunden in NRW, Hessen und BW auf eigenen Wunsch hin von DS Lite auf Dual-Stack wechseln und somit auch eine IPv4-Adresse erhalten. Voraussetzung dafür ist produktseitig die Nutzung der Power-Upload-Funktion oder die Nutzung der Telefon-Komfort-Option. Wichtig: Die Dual-Stack-Funktion bzw. IPv4 ist keine Leistung, auf die ein Kunde einen Anspruch hat. Wir schalten sie ausschließlich auf Wunsch des Kunden hin frei und wenn die beiden Voraussetzungen erfüllt sind. Ich hoffe, ich konnte Licht ins Dunkel bringen.