Entdrosselt

Editorial: Drosselkom erfolgreich wegprotestieren - so geht's

Kunden-Proteste oder Eingreifen der Politik - was bewirkt mehr?

Der schrittweise Rückzug der Telekom von der "harten Drosselung" ab 2016 wirft Fragen auf: Hat die Netzgemeinde mit ihrem Protest und auch Spott die Verantwortlichen zum Einlenken gebracht? Oder haben hinter den Kulissen Politiker massiv interveniert?

Die Direktheit, die in der Kommunikation der Deutschen Telekom seit einigen Wochen herrscht, ist bestürzend: Ohne Rücksicht auf den eigenen Ruf hat die Telekom die ab Mai geltenden Leistungsbeschreibungen mit der Einführung von Drosselungsgrenzen kommuniziert und verteidigt. Was folgte, war ein Sturm der Entrüstung, in dessen Verlauf die Telekom wohl sehr genau zugehört hat. Der in dieser Woche erfolgte Teil-Rückzug, der schon am Vorabend durchsickerte, brachte zwar keine grundsätzliche Revision des Vorhabens, allerdings will der Konzern nun ab 2016 nicht mehr auf 384 kBit/s, sondern auf 2 MBit/s drosseln, was immerhin eine Verbesserung bei der Nutzung multimedialer Dienste darstellt. Und auch jetzt spricht die Telekom mit ihren Kunden über das Problem: Wer in dieser Woche www.telekom.de aufrief, wurde von einem magentafarbenen Layer begrüßt, auf dem die Telekom in einem Schreiben an die Kunden das grundsätzliche Vorhaben weiterhin verteidigt, aber auch Kompromissbereitschaft signalisiert.

Kennt sich der mündige Bürger besser aus als ein Telekom-Manager?

Drosselkom erfolgreich wegprotestieren - so gehts Drosselkom erfolgreich wegprotestieren - so geht's
Bild: dpa
Die Telekom schreibt in ihrem Brief auf dem Homepage-Layer: "Wir haben in den letzten Wochen einen intensiven Dialog mit unseren Kunden geführt und ihre Sorgen verstanden." Das ist mehr als eine von einem PR-Berater empfohlene Anbiederung - wahrscheinlich realisiert der Konzern, dass das Wissen und das Verständnis um technische Zusammenhänge im Internet bei den eigenen Kunden deutlich größer ist als angenommen.

Denn die Protestwelle der letzten Wochen hat gezeigt, dass es keineswegs nur die "bösen" Dauersauger, Filesharer und Bandbreiten-Räuber sind, die gegen die Drosselungspläne protestiert haben, sondern ganz normale Telekom-Kunden und vor allem Nutzergemeinschaften wie Familien und Wohngemeinschaften, die eine Drosselung nach bereits 75 GB Datenvolumen pro Monat auf 384 kBit/s bei einem 16-MBit/s-Anschluss als schlechten Witz empfinden mussten.

Ebenfalls interessant zu beobachten war, dass neben der üblichen Häme und dem Spott die Diskussion gerade vonseiten der Nutzer auf einem fachlich sehr hohen Niveau stattgefunden hat. "Sie möchten wissen, wie viel Datenvolumen Sie derzeit verbrauchen? Nutzen Sie den Volumenrechner, und ermitteln Sie ganz einfach Ihren persönlichen Datenverbrauch", schreibt die Telekom auf ihrem Homepage-Layer. Und genau das wussten viele Nutzer bereits längst vor der ersten Bekanntgabe der Drosselungspläne. Nicht nur Fachjournalisten wie bei teltarif.de können ausrechnen, wie weit 75 GB im Monat reichen und welche Internet-Dienste mit 384 kBit/s überhaupt noch nutzbar sind, sondern das kann mittlerweile fast jeder einigermaßen technikaffine Teenager, Familienvater und Rentner. Hat die Telekom das nicht bedacht?

Jedes Unternehmen, das zukünftig unangenehme Einschnitte bei seinen Produkten und Dienstleistungen plant, muss sich dessen bewusst sein, dass es bei den heutigen Formen von Öffentlichkeit kaum noch möglich ist, Verschlechterungen heimlich still und leise über die Hintertür einzuführen oder die Anwender für dumm zu verkaufen. Der "mündige Bürger" rennt vielleicht nicht gleich zu seinem Bundestagsabgeordneten, zu einem Anwalt oder zur Verbraucherzentrale, aber er kann sein Wissen und sein Nutzungsverhalten meist recht präzise über soziale Netzwerke mitteilen, wo dies dann gleich für eine größere Öffentlichkeit einsehbar, kommentierbar und weiterverbreitbar ist, auch wenn nicht gleich ein "Shitstorm" daraus entstehen muss.

Auf der folgenden Seite erläutern wir, welche verschiedenen Rollen der Staat in Deutschland gegenüber der Telekom spielt und spekulieren, was vor dem "geordneten Rückzug" der Telekom hinter den Kulissen passiert sein könnte.

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