Mikrofonverbot im Auto: Bundesland ist entscheidend
Vor drei Jahren beschäftigte sich der Bundesrat mit einer Verschärfung der Straßenverkehrsordnung (StVO). Die Idee: In Paragraph §23 Absatz 1a die Nutzung aller elektronischen Geräte während der Fahrt zu verhindern und zu verbieten. Was "lieb" gemeint war, war praktisch kaum umsetzbar. So meldeten sich schnell Anwender von Funksprechgeräten zu Wort, die während der Fahrt ein Mikrofon in die Hand nehmen, die Sendetaste drücken und sprechen müssen, sei es aus Sicherheitsgründen (Warnung vor Verkehrsgefahren) oder zur beruflichen Kommunikation. Darunter fallen nicht nur Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste, Sicherheitsdienste, Baufirmen, Kranführer, Service-Techniker oder Autohilfsdienste, sondern auch CB- und Amateurfunker.
Staat hat viel Geld für sinnvollen Warnfunk ausgegeben - jetzt umsonst?
Warnanlagen per CB-Funk haben wirksam Auffahrunfälle verhindert (im Bild der damalige Verkehrsminister Ramsauer). Wird jetzt CB-Funk quasi verboten?
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Für teures Geld hatten alle deutschen Autobahn-Straßenmeistereien spezielle Warngeräte angeschafft, die vor den zahlreichen Wanderbaustellen und anderen Gefahren auf Autobahnen über CB-Funk in verschiedenen Sprachen und auf verschiedenen Kanälen (9,11,19,28,40) warnen. Wenn nun die aktive Nutzung eines CB-Funkgerätes während der Fahrt verboten wird, so die logische Schlussfolgerung, würden viele Anwender ihre Geräte lieber komplett ausbauen oder wenigstens ausschalten, so wären die Millionen-Investitionen für eine Verbesserung der Sicherheit "für die Katz" gewesen.
Schonfrist ausgelaufen
Nachdem sich ein seit Jahren in der Branche aktiver Hersteller von Sprechfunkgeräten und Zubehör an seinen Abgeordneten und die Landesregierung gewandt hatte, gab es von Niedersachsen den Vorschlag im Bundesrat, im §52 Absatz 4 eine Ausnahme-Regelung einzuführen, die Funkgeräte explizit davon ausschließt. Das wurde übernommen und alle Beteiligten waren zufrieden.
Nur: Diese Schonfrist ist am 30. Juni 2020 ausgelaufen. Zwar gab es "hinter den Kulissen" Verhandlungen und Überlegungen, diese Frist zu verlängern. Die Rede ist von mindestens weiteren 6 bis 12 Monaten. Mögliche Alternativlösungen mit Sprachsteuerungen ("Vox"), wobei beim Sprechen des Funkanwenders das Gerät automatisch auf Sendung geht, sind nach wie vor kaum verbreitet oder erfordern komplizierte Umbauten mit vielen Kabeln oder sind nur zu wenigen Geräten oder auch gar nicht kompatibel. Und wenn das Auto (der LKW) etwas lauter ist oder der Beifahrer etwas zum Verkehrsgeschehen oder über das Spiel der Bundesliga sagt, würde das Gerät auch (ungewollt) auf Sendung gehen, also praktisch unbrauchbar.
Zahlreiche Beschwerden
In den Fachausschüssen des Bundesrates und beim Verkehrsministerium gingen zahlreiche Beschwerden von Personen und Verbänden ein, über das Verbot noch einmal nachzudenken. Doch die bundesdeutsche Rechtslage hat nun zu einer kuriosen Situation geführt. Es hängt jetzt vom einzelnen Bundesland ab, welche Regelung gilt und welche nicht.
Anfrage beim Verkehrsminister
Darum geht es: Während der Fahrt soll das Mikrofon nicht mehr in die Hand genommen werden dürfen. Eine Ablenkung vom Verkehrsgeschehen wäre so groß wie ein Gespräch mit dem Mitfahrer.
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teltarif.de hat beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur nachgefragt. Das Ministerium hat uns prompt die aktuelle Sachlage sehr genau erläutert:
"Wer ein Fahrzeug führt, darf gemäß § 23 Absatz 1a der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient, grundsätzlich nicht benutzen. Hierunter fallen auch CB-Funkgeräte. Gemäß § 52 Absatz 4 StVO ist das Verbot nach § 23 Absatz 1a StVO im Falle der Verwendung eines Funkgerätes erst ab dem 01.07.2020 anzuwenden. Die vorgenannten Vorschriften wurden durch die 53. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 06.10.2017 (BGBl. I S. 3549) in Kraft gesetzt."Diese Frist ist nun abgelaufen. Das Ministerium weiter:
"Insbesondere aufgrund der auch durch die Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 verzögerten Herstellung von Funkgeräten hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) die Länder mit Schreiben vom 19.06.2020 darum gebeten, von den Möglichkeiten der Anwendung des Opportunitätsprinzips Gebrauch zu machen und bis einschließlich 31.01.2021 in Bezug auf die Nutzung von Funkgeräte für alle Verkehrsarten von einer Kontrolle des Verbots nach § 23 Absatz 1a StVO abzusehen."
Bundesrecht und Landesrecht
Die Sache ist aber etwas komplizierter, da wir in einem föderalen Staat leben: "Grundsätzlich gilt: Die Durchführung der StVO und der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur StVO (VwV-StVO) fällt wegen der im Grundgesetz verankerten Kompetenzverteilung in die Zuständigkeit der Landesbehörden."
Und daher haben wir nun einen sehr kuriosen Fall: "Die Bundesländer entscheiden auf der Grundlage der StVO und der dazugehörigen Verwaltungsvorschriften im Rahmen des ihnen zustehenden Ermessens und unter Abwägung der Gegebenheiten vor Ort, welche Anordnung getroffen wird. Dies hängt immer vom konkreten Einzelfall ab. Hier hat der Bund im konkreten Einzelfall weder fachaufsichtsrechtliche Eingriffs- noch Weisungsrechte gegenüber den Ländern.
Das bedeutet: Die Entscheidung über die Umsetzung der Empfehlung des BMVI liegt bei den Ländern."
Einige Bundesländer machen mit
Anfragen an die Verkehrsminister verschiedener Bundesländer laufen noch. Aus Baden-Württemberg kam die klare Auskunft: Die Ausnahmeregelung wird in Baden-Württemberg bis zum 30.6.2021 verlängert. Das Bundesland Hessen will aber nur bis zum 30. Januar 2021 Gnade vor Recht ergehen lassen. Aus anderen Ländern gibt es noch keine klaren Auskünfte.
Ein persönlicher Rat
Falls Sie also ein CB- oder Amateurfunkgerät im Auto haben sollten oder beruflich funken müssen, lassen Sie es drin und auch eingeschaltet, aber legen das Mikrofon während der Fahrt zur Seite und nutzen es lieber nicht. Falls Gefahr im Verzug sein sollte (z.B. weil ein Geisterfahrer entgegen käme), wäre eine Nutzung vielleicht tolerabel, Sie müssten das aber später vor Gericht "beweisen" können.
Sprechen sie besser bei sich bietender Gelegenheit ihren lokalen Abgeordnete[n] an und fragen Sie ihn/sie, ob eine solche Regelung wirklich sinnvoll ist. Viele von uns befragte Anwender stören sich an der immer mehr zunehmende Überregulierung, die oft genau das Gegenteil von dem erreicht, was eigentlich damit eigentlich bezweckt ist. Im übrigen legt §1 der StVO schon sehr klar verständlich fest, dass ein Fahrer keine Dinge tun soll, die ihn oder andere Verkehrsteilnehmer gefährden.
Und CB- und Amateurfunk funktionieren auch dann weiter, wenn Handynetze wegen Stromausfall oder technischer Störungen versagen. Nur schlecht, wenn es dann eines Tages keine Hobbyfunker mehr gibt, die Nachrichten weiter geben könnten, weil sie es meistens nicht dürfen.