Editorial: Streit um UHF-Frequenzen - Kompromisse möglich
Der Mobilfunkstandard 5G könnte sowohl für den Rundfunk als auch die Veranstaltungsbranche ein Ausweg aus dem Streit um UHF-Frequenzen sein.
Foto: Mediabroadcast
Der Rundfunk kämpft ums Überleben, zumindest was den Verbreitungsweg Antenne angeht. Der Mobilfunk will ebenso wie der Behördenfunk bisher vom Rundfunk genutzte Frequenzen.
Auf der Fachmesse Anga Com sind die Streithähne auf einer Podiumsdiskussion zusammengekommen. Dabei hat die Allianz für Rundfunk- und Kulturfrequenzen erneut eine politische Entscheidung zur Zukunft der Rundfunk- und Kulturfrequenzen gefordert. Nur durch eine unveränderte alleinige Zuweisung der UHF-TV-Frequenzen über das Jahr 2030 hinaus könne die Zukunft der terrestrischen TV-Verbreitung und der drahtlosen Medienproduktion gesichert werden, aber auch die der Radioverbreitungswege UKW und DAB+.
Der Hörfunk sendet zwar nicht im UHF-Band, nutzt aber oft die gleichen Sendetürme. Und hier muss sich der Rundfunk teuer einmieten, zumeist bei der Telekom-Tochter Deutsche Funkturm (DFMG). In Kombination mit dem Fernsehen und entsprechenden Rabatten kann das noch gestemmt werden, alleine für den Hörfunk lohne sich die Investitionen jedoch nicht mehr.
Rundfunk vs. Mobilfunk
Der Mobilfunkstandard 5G könnte sowohl für den Rundfunk als auch die Veranstaltungsbranche ein Ausweg aus dem Streit um UHF-Frequenzen sein.
Foto: Mediabroadcast
Die Bundesregierung hatte zuvor bereits im Koalitionsvertrag das klare Ziel formuliert, das UHF-Band "dauerhaft für Kultur und Rundfunk [zu] sichern".
Als Vertreterin der Medienpolitik betonte Heike Raab, Staatssekretärin in der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz und Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund, für Europa und Medien, bereits im Vorfeld der Veranstaltung die zentrale Bedeutung von Medien und Kultur in einer Demokratie. Daher werden auch in Zukunft ausreichend Frequenzen für das terrestrische Angebot benötigt, so Raab.
Helwin Lesch, Leiter Hauptabteilung Verbreitung und Controlling des Bayerischen Rundfunks, unterstrich in seinem Statement die Notwendigkeit der terrestrischen Rundfunkverbreitung zur niedrigschwelligen, kostengünstigen und verlässlichen Versorgung der Bürger mit Qualitätsinhalten, auch und besonders in Krisensituationen.
Die Notwendigkeit des Erhalts der Frequenzen für die Kulturschaffenden hob auch Dr. Andreas Sennheiser, CEO der Sennheiser electronic GmbH & Co. KG, hervor. Ohne eine klare, langfristige Nutzungszusage werde die Produktion von Filmen und Reportagen, von Live-Konzerten und von Sportveranstaltungen erheblich leiden.
Doch auch der Mobilfunk hat ein reges Interesse an den Frequenzen. Der Netzausbau sei elementare Grundlage der digitalen Transformation, auch das Nutzungsverhalten beim Medienkonsum habe sich bereits verändert - vom Rundfunk hin zum Mobilfunk. Zudem werde das digitale Antennenfernsehen DVB-T2 nur noch von knapp über 6 Prozent genutzt, Tendenz weiter fallend.
Als neuer Akteur meldet nun auch der Behördenfunk (BOS) Bedarf an den Kanälen an. Man benötige einen modernen Nachfolger von "Tetra", was nur Sprache übertragen kann.
Es könnten vier Verlierer entstehen
Eines wurde bei der Diskussion auf der Anga Com klar: Würde auf der Weltfunkkonferenz eine Ko-Nutzung der UHF-Frequenzen beschlossen, wäre dies kein Kompromiss, sondern letztlich ein Verlust für jeden der vier beteiligten Akteure, der sogar die Versorgungssicherheit gefährden könnte.
Auf der Messe wurde ein Szenario wie auf einer Autobahn aufgemalt: Steht statt vier nur noch ein Fahrstreifen zur Verfügung, reicht der Platz nicht für alle aus und es kommt zu Stau. Rundfunk und Veranstaltungsbranche können ihre Dienste nicht mehr im gewohnten Umfang anbieten, doch auch der Mobilfunk kann seine Ziele nicht wirklich erreichen. Helwin Lesch betonte auf der Messe, dass der Rundfunk Schutzabstände von über 200 Kilometern benötige. In diesem Radius könnten Mobilfunkunternehmen entsprechende Frequenzen nicht nutzen.
So sehen tatsächliche Kompromisse aus
Es müssen also andere Lösungen her, und auf der Anga Com wurden erste Kompromisse aufgezeigt. So könnte der Behördenfunk künftig auch auf Mobilfunk-Basis senden, was eine Modernisierung auch mit Bewegtbildern ermöglicht. In Großbritannien und Frankreich arbeiten Mobilfunkunternehmen und Behörden an entsprechenden Lösungen, die von der Politik unterstützt werden. Die Ausstrahlungen könnten etwa auf 4G-Basis in anderen Frequenzbändern erfolgen.
Angesprochen wurde zudem ein National Roaming, das den Frequenzhunger des Mobilfunks stillen könnte. In der Tat müssen nicht an jeder Milchkanne alle drei (künftig vier) Mobilfunknetze empfangbar sein.
Für die Kultur- und Veranstaltungsbranche könnte es künftig Lösungen auf Basis des Mobilfunkstandards 5G geben. Entsprechende Campus-Netze wurden bereits erprobt.
Doch auch für den Rundfunk gibt es noch Optimierungen. Unbestritten ist, dass der momentane terrestrische Fernsehstandard DVB-T2 nicht überleben wird, nicht einmal mehr seine Protagonisten glauben noch an ihr Produkt.
Als Nachfolger steht 5G Broadcast in den Startlöchern. Da es hier primär um die Rundfunk-Verbreitung auf mobilen Endgeräten wie Smartphones geht, stellt sich die Frage, ob hier noch die gleichen Bandbreiten wie bei DVB-T2 benötigt werden.
Überregionale Angebote wie die des ZDF könnte man zudem als Single Frequency Network (SFN) in einem einzigen, bundesweiten Kanal ausstrahlen, Auch das könnte Frequenzen einsparen. Und auch für 5G Broadcast gilt: Die Verbreitung muss nicht zwingend im UHF-Band erfolgen.
Wir reden hier über eine Nutzung nach 2030. Sollte der terrestrische Hörfunk dann nicht irgendwann digitalisiert sein? Dann wäre es durchaus möglich, zumindest einen Teil des bisherigen UKW-Bandes etwa für 5G Broadcast freizugeben.
Wichtig sollte in jedem Fall eines sein: Keiner der aktuellen Streithähne darf Verluste hinnehmen. Sowohl für den Rundfunk als auch die Veranstaltungsbranche und die Behörden gilt, dass die Versorgungssicherheit oberste Priorität haben muss. Ich bin überzeugt, dass dieses Ziel letztendlich auch gelingen wird, trotz der aktuell kontroversen Meinungen und diverse Ansprüche. Das gelingt allerdings nur, wenn die Beteiligten ihr Augenmerk nicht nur auf die knappen Frequenzen im UHF-Band richten, sondern über deren Tellerrand hinausblicken.
Nicht nur über Radio und Fernsehen kommen heutzutage Unterhaltung und Bildung nach Hause: Filme, Serien, Dokumentationen und Sportereignisse werden über das Internet gestreamt. Dank gut ausgebauter mobiler Datennetze und Tarife mit viel Datenvolumen steht dem Medienkonsum auch unterwegs nichts im Wege.
