UHF-Frequenzen: Vier Streithähne und keine Einigung
Vor der möglicherweise vorentscheidenden Weltfunkkonferenz (WTC 2023) ist ein heftiges Ringen um Frequenzen im UHF-Band zwischen 470 und 694 Megahertz entbrannt, über die momentan noch das digital-terrestrische Fernsehen DVB-T2 sendet. Im Panel "Die Zukunft der Rundfunk- und Kulturfrequenzen" erklärten die jeweiligen Streithähne auf der Fachmesse Anga Com ihre verhärteten Positionen. Bis 2030 darf der Rundfunk die Frequenzen noch nutzen, zusammen mit der Veranstaltungsbranche.
Rundfunk kämpft um Frequenzen
Der Fernmeldeturm Colonius in Köln
Foto: Media Broadcast
Helwin Lesch, Leiter Hauptabteilung Verbreitung und Controlling beim Bayerischen Rundfunk, möchte hieran nichts ändern und die betroffenen Frequenzen in jedem Fall für den Rundfunk beibehalten. Die Kanäle seien "effektiv und nachhaltig", und der Rundfunk brauche "weiter eine krisenfeste Technologie". Er verweist dabei unter anderem auf eine Notstromversorgung von Sendeanlagen, die selbst bei einem Stromausfall bis zu zwei Wochen Weiterbetrieb ermöglichten. Mit der Weiterentwicklung 5G Broadcast könne Rundfunk künftig auch ohne Barrieren und SIM-Karten mobile Nutzer auf Smartphones und Tablets erreichen.
Jedweder Kompromiss in Form eines weiteren Frequenzverlustes gefährde nicht nur das terrestrische Fernsehen, sondern auch den Hörfunk, da die Infrastruktur in Form der Sendetürme teuer ist und sich die Anmietung bei den Turmbetreibern nur für ein Medium nicht lohne, so Lesch.
Mobilfunk braucht "Türöffner"
Valentina Daiber, Chief Officer Legal & Corporate Affairs und Mitglied des Vorstands bei Telefónica Deutschland, sieht das naturgemäß anders. Der Netzausbau sei elementare Grundlage der digitalen Transformation, auch das Nutzungsverhalten beim Medienkonsum habe sich bereits verändert - vom Rundfunk hin zum Mobilfunk. Sie verweist auf die geringen Nutzungszahlen von DVB-T2, das nur noch für knapp über 6 Prozent ein relevanter Verbreitungsweg sei.
Für den "Wunsch nach einem flächendeckenden Netzausbau" seien "Frequenzen das Rückgrat". Die WTC 2023 sei daher wichtig als "Türöffner". Keiner könne jetzt schon sagen, wie Medien nach 2030 genutzt würden.
Behördenfunk soll besser werden
Als neuer Akteur meldet nun aber auch der Behördenfunk (BOS) Bedarf an den Kanälen an. Hierfür sprach Jürgen Mathies, Staatssekretär im Ministerium des Inneren des Landes Nordrhein-Westfalen. Polizei, Feuerwehr und andere Behörden bräuchten einen modernen Nachfolger von "Tetra", was nur Sprache übertragen kann.
Die Übertragung auch von Bewegtbildern - etwa bei Feuerwehr- oder Polizeieinsätzen - sei für die innere Sicherheit unerlässlich. Sie vereinfachten den Behörden auch die Beurteilung der Lage bei Katastrophen oder Polizeieinsätzen. Mathies betont, dass man nicht dasd gesamte UHF-Spektrum benötigt, sondern lediglich 60 MHz.
Veranstaltungsbranche: Versorgung nicht mehr gewährleistet
Für die Veranstaltungsbranche sprach Dr. Andreas Sennheiser, Co-CEO der Sennheiser electronic GmbH & Co. KG. Schon jetzt seien Frequenzen für die Übertragung bei Veranstaltungen etwa mit Drahtlos-Mikrofonen ein knappes Gut.
Bei weiterem Frequenzverlust sei diese Versorgung nicht mehr möglich. "Dann finden Sportevents wie die Olympischen Spiele für Zuschauer künftig ohne Ton statt", so seine düstere Prognose.
Kompromisse möglich
Bisher konnten sich die Streithähne nicht auf einen gemeinsamen Kurs für die Weltfunkkonferenz einigen, bisherige Gesprächsrunden blieben ohne Ergebnis. Dabei gäbe es durchaus Kompromisse, wie auf dem Panel thematisiert wurde: So würde der Behördenfunk in Großbritannien oder Frankreich auch modernisiert, allerdings auf Mobilfunk-Basis. Dies würde vom Staat finanziell unterstützt.
Helwin Lesch vom BR sieht in 5G Broadcast eine Win-Win-Situation auch für den Mobilfunk, der mobile Inhalte über die robuste Sendetechnologie des Rundfunks verbreiten könne, ergänzt durch Füllsender in Form von Mobilfunk-Basisstationen. So könnten Inhalte an unendlich viele Teilnehmer übertragen werden, was Kosten spare und zu keinen Netzüberlastungen mehr führe.
Dem stimmte Valentina Daiber von Telefónica zwar prinzipiell zu. Doch betont sie, dass 5G Broadcast nicht zwingend im UHF-Band übertragen werden müsse. Prinzipiell böten sich hierfür alle Frequenzen an, die dem Mobilfunk zur Verfügung stehen. Für die Veranstaltungstechnik könnte 5G künftig eine Option sein. Das sei laut Dr. Sennheiser jedoch noch zu früh, in den kommenden Jahren benötige man das bisherige Spektrum.
Angesprochen wurde zudem ein National Roaming, das den Frequenzhunger des Mobilfunks stillen könnte. Jens Jenssen von der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz zeigte auf dem Panel Verständnis für alle Positionen, präferiert im Streit jedoch auch den Rundfunk, der bereits 40 Prozent seiner Frequenzen durch die Digitalen Dividenden 1 und 2 an den Mobilfunk verloren habe und mit 5G Broadcast eine Möglichkeit aufzeige, die den Verbreitungsweg Terrestrik dank mobiler Nutzungsmöglichkeiten auf Smartphones wieder weit relevanter machen könnte.
In einer weiteren Anga-News geht es um: Gratis-Streaming könnte Netflix & Co. übertrumpfen.
