UKW-Radio: Fast 100 Jahre alt und kein bisschen leise
Das gute, alte UKW-Radio bleibt uns noch lange erhalten
Bild: dpa
Das klassische Radio, mit dem wir alle aufgewachsen sind, ist das Ultrakurzwellen-Radio (kurz: UKW-Radio). Obwohl die digitalen Verfahren DAB+ und Internetradio inzwischen aufgeholt haben: Der mit Abstand wichtigste und meistgenutzte Verbreitungsweg beim Radio ist immer noch der klassische UKW-Hörfunk.
Ende des UKW-Radios nicht in Sicht
Eigentlich war das Ende des analogen Radios bereits beschlossene Sache. Bis 2010 sollte der UKW-Rundfunk zugunsten des alternativen Übertragungsverfahrens DAB in Deutschland abgestellt werden, so sah es die Politik vor. DAB konnte sich allerdings nicht durchsetzen, daher wurden diese Pläne wieder verworfen. Mit DAB+ startete 2011 ein Übertragungsverfahren, das sich wesentlich besser behauptet als sein Vorgänger. Doch auch dieses Verfahren und auch das Internetradio konnten die Dominanz des UKW-Hörfunks zumindest in Deutschland bislang nicht beenden.
Während in anderen Ländern wie der Schweiz der Radiokonsum heute bereits mehrheitlich über digitale Verfahren erfolgt, hat UKW in Deutschland noch deutlich die Nase vorn: Laut den Ergebnissen der ersten Media Analyse im Jahr 2021 (ma Audio 2021) erreichen klassische UKW-Radioangebote pro Werktag (Montag-Freitag) 74,7 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren. Online-Audio kommt auf eine Tagesreichweite von 11,4 Prozent (8,0 Millionen) vor DAB+ mit 9,8 Prozent (6,9 Millionen).
Das gute, alte UKW-Radio bleibt uns noch lange erhalten
Bild: dpa
Unwirtschaftliche Frequenzen werden abgeschaltet
Inzwischen ist von einer UKW-Abschaltung keine Rede mehr, vielmehr überlässt die Medienpolitik in Deutschland diese Entwicklung weitgehend dem Markt. Die Medienanstalten haben UKW-Lizenzen bereits bis in die 2030er-Jahre vergeben. Vor allem der private Hörfunk betont, dass UKW für die Relevanz der Gattung Radio/Audio im Werbemarkt absolut unverzichtbar sei. Ohne die UKW-Reichweiten wäre eine Refinanzierung der Vielfalt von Radio und Audio über alle Verbreitungswege hinweg für die privaten Hörfunkveranstalter schlicht nicht möglich.
Anders könnte es bei der ARD sein: Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) hat beschlossen die Gesamtkosten der Ausstrahlung von UKW und DAB+ gemeinsam zu betrachten und das Modell des Abschmelzens der Kosten bis zur Periode 2029 bis 2032 fortzuführen. Das bedeutet, dass die ARD sich bis dahin auf ein Verfahren festgelegt haben muss und dann Mittel aus dem Rundfunkbeitrag nur noch für einen Verbreitungsweg - entweder UKW oder für DAB+ - erhält. Dies könnte beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk den UKW-Ausstieg beschleunigen.
Das öffentlich-rechtliche Deutschlandradio, einige ARD-Anstalten, aber auch Privatsender wie Klassik Radio haben bereits unwirtschaftliche UKW-Frequenzen aufgegeben.
Geschichte und Technik von UKW
Die Geschichte von UKW beginnt schon vor fast 100 Jahren: 1925 fand zwischen Jena und Kahla die erste UKW-Übertragung der Welt durch Professor Abraham Esau statt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden auf der Internationalen Rundfunkkonferenz in Atlantic City die Frequenzen für europäische Rundfunksender neu vergeben. Nach dem Kopenhagener Wellenplan erhielten die Verlierer-Staaten nur sehr wenige, ungünstige Frequenzen im Mittelwellenbereich zugeteilt. Daher wurde insbesondere in diesen Staaten die Projektierung von Ultrakurzwellensendern forciert. Der erste europäische UKW-Sender wurde am 28. Februar 1949 in München-Freimann vom Bayerischen Rundfunk (90,1 MHz) in Betrieb genommen.
Weltweit wird UKW-Rundfunk bis auf wenige Ausnahmen im CCIR-Band im VHF-Band II zwischen 87,5 MHz und 108 MHz ausgestrahlt, wobei einige Länder nur Teilbereiche verwenden. Als Modulationsart wird Frequenzmodulation (FM) benutzt. Diese ermöglicht eine weniger störanfällige Übertragung von Tonsignalen, da sie im Vergleich zu der im Lang-, Mittel- und Kurzwellenbereich verwendeten Amplitudenmodulation (AM) unempfindlicher gegenüber atmosphärischen Störungen ist.
Nachteile von UKW
Galt UKW nach dem Zweiten Weltkrieg noch als revolutionär, sorgen digitale Verfahren heute für eine erneute Verbesserung. DAB+ etwa ist rauschfrei und nutzt Reflexionen etwa an Bergketten zur Stabilisierung des Empfangssignals, während es bei UKW hier zu Störungen durch Mehrwegeempfang kommt.
Aufgrund der hohen Bandbelegung gibt es vielerorts zudem Interferenzen mit Gleich- oder Nachbarfrequenzen, sodass außerhalb der Sichtweite von Sendeanlagen häufig Störungen auftreten. Das UKW-Band ist zudem ausgeschöpft und bietet kaum noch neue Frequenzen für zusätzliche Hörfunkangebote. Über UKW können auch keine Bilder oder Slideshows übertragen werden, wie das bei DAB+ oder dem Internetradio der Fall ist.
Digitale Verbreitung im UKW-Band
In Nordamerika wird UKW inzwischen nicht nur zur Übertragung von analogem Hörfunk genutzt. HD Radio ist ein proprietäres, digitales Radiosystem, das auf der Technik IBOC (In-band-on-channel) basiert. Entwickelt wurde der Standard vom Unternehmen iBiquity, das für diesen Zweck gegründet wurde.
Ein Merkmal von HD Radio liegt darin, dass es im Gegensatz zu DAB+ nicht nur rein digital funktioniert, sondern auch als Hybridsystem gleichzeitig mit dem analogen UKW-Rundfunk (auch der Mittelwelle) betrieben werden kann. Parallel zum analogen Programm können auf einer UKW-Frequenz bis zu vier weitere digitale Programme von gleichem Sendestandort übertragen werden.
Die großen Networks in den USA und Kanada nutzen diese Möglichkeit zur Verbreitung von "Beibooten" ihrer Hauptprogramme, kleinere Radiostationen vermieten die digitalen Kanäle häufig auch an Drittanbieter unter. Dank HD Radio erhöht sich in einer Stadt das Angebot im UKW-Band von im Schnitt 15 auf über 50 Radioprogramme über Antenne.
In Europa wurde HD Radio auch getestet, erwies sich allerdings wegen der hohen Bandbelegung auf UKW als Praxis-untauglich, da es zu Störungen von Nachbarkanälen im analogen Bereich kam. In Europa ist auf UKW ein Kanalraster von 100 kHz üblich, während es in den USA 200 kHz sind. Daher setzte sich in Europa DAB+ anstelle von HD Radio als digital-terrestrischer Radioübertragungsweg durch.
Weitere digitale Verfahren im UKW-Band sind DRM+ oder das ebenfalls proprietäre China Digital Radio (CDR).
teltarif.de-Ratgeber zum Thema Radio
- Übersicht: Alles rund um Radio, DAB+ und Internetradio
- DAB+: Der aktuelle Standard für digitales Radio
- Internetradios: Die ganze Welt im Radio empfangen
- So halten Internetradios die Senderlisten aktuell
- Diese Funktionen bieten Internetradios
- UKW-Radio: Fast 100 Jahre alt und kein bisschen leise
- Musik-Streaming im Internet: Musik-Flatrates im Überblick
- 5G Broadcast: Rundfunk ohne Datenverbrauch
- teltarif.de-Podcast anhören und abonnieren
Meldungen zu UKW-Radio
-
05.06.23DigitalradioSchnäppchen-Check: Drei Digitalradios bei expertDrei Internet- und Digitalradios gibt es in dieser Woche im Angebot bei den Elektronikmärkten von expert. Sind es tatsächlich Schnäppchen? zur Meldung
-
14.05.23RadioIndien: Pflicht für terrestrisches Radio in Handys kommtLaut einem Medienbericht müssen Smartphone-Hersteller für den indischen Markt terrestrischen Radioempfang in ihren Gadgets anbieten. Diese Pflicht könnte auch Auswirkungen auf den globalen Markt haben, also auch in Deutschland. zur Meldung
-
17.04.23Analog"Fade out": UKW-Abschaltung in der Schweiz kommt späterIn der Schweiz wird wohl auch der zweite angedachte Termin für die Abschaltung des UKW-Rundfunks nicht eingehalten. zur Meldung
-
10.04.23Jetzt dochRadioverkäufe: Mehr Digitalradios als reine UKW-ModelleIm Frühjahr überraschte die GfK mit der Aussage, wonach die Zahl der verkauften Radios mit DAB+-Empfang immer noch in der Minderheit sei. Jetzt sprechen aktuelle Zahlen eine andere Sprache. zur Meldung