Galileo: Das europäische Navigationssystem
Der Navigations-Nachzügler Galileo
Bild: teltarif.de
GPS hält weltweit die Vormachtstellung für die Navigation im Auto und mit dem Smartphone. Seit geraumer Zeit befindet sich indes das europäische Galileo
als Pendant zum US-amerikanischen, militärisch kontrollierten GPS im Aufbau. Das Projekt
der EU wird auch von diversen Staaten außerhalb der Union unterstützt. Nach einigen Pannen und
Verzögerungen in der Test- und Errichtungsphase geht es mittlerweile stetig voran - wir zeichnen
die Entwicklung nach, erläutern technische Details zur Technik und beschreiben die geplanten
Einsatzmöglichkeiten.
Kostspielige und zeitaufwendige Entwicklung
Allein bis 2013 wurden für die Entwicklung und den Systemaufbau der Infrastruktur von Galileo über fünf Milliarden Euro benötigt. Ursprünglich sollte das System schon 2008 an den Start gehen. Zuletzt hatte die EU für den weiteren notwendigen Ausbau sowie den laufenden Betrieb bis 2020 zusätzliche sieben Milliarden Euro vorgesehen.
Es ist jedoch zu vermuten, dass es aufgrund technischer Rückschläge nicht bei diesen Ausgaben bleibt. Galileo ist somit das finanziell intensivste Großprojekt der EU und wird hauptsächlich von der Europäischen Kommission und der Europäischen Weltraumorganisation (European Space Agency, ESA) getragen. Die ESA ist in Kooperation mit privaten Unternehmen und zahlreichen europäischen Forschungszentren für die Realisierung verantwortlich. So ist zum Beispiel auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) maßgeblich an der Entwicklung und dem Betrieb des Galileo-Systems beteiligt.
Ein schwieriger Start für die Satelliten
Galileo-Satelliten im Weltall und ihre Umlaufbahnen
Bild: ESA
Das Galileo-Satellitennetzwerk sollte bis zum Jahr 2020 aus 30 Satelliten in einer
Erdumlaufbahn von mehr als 23.000 Kilometern bestehen, 27 Satelliten sind für den
regulären Betrieb und drei Zusatzsatelliten für eventuelle Ausfälle geplant. Ein erster
Teilbetrieb benötigte 16 bis 18 funktionsfähige Satelliten. Im November 2016 starteten die Satelliten 15 bis 18 erfolgreich in den Orbit und seit Dezember 2016 sind
die ersten Galileo-Dienste verfügbar. Momentan sind dennoch gerade einmal 23 von 28 Satelliten, die sich im All befinden, einsatzbereit. Damit findet eine lange Historie von Verzögerungen und
Schwierigkeiten erstmalig ihr Ende, denn in der Vergangenheit gab es auch bereits einige Pannen.
Im August 2014 gerieten durch einen technischen Defekt zwei Satelliten
in eine falsche Umlaufbahn und mussten nachträglich mit viel Aufwand und Treibstoff in den
vorgesehenen Orbit manövriert werden. Der erste Testsatellit GIOVE-A1 wurde hingegen 2012 planmäßig
außer Betrieb genommen.
Galileo: Störungsresistenz durch Nutzung mehrerer Frequenzen
Das Signal der Galileo-Satelliten wird über drei Frequenzen im Spektrum zwischen 1176 MHz und 1575 MHz gesendet. Dies führt einerseits zu einer genaueren Ortsbestimmung, die zwischen vier und acht Metern liegt - im Gegensatz zu einer Genauigkeit von 10 bis 15 Meter bei der Nutzung von nur einer Frequenz.
Andererseits sind Zwei-Frequenz-Empfänger resistenter gegenüber Interferenzen, wobei auch hier eine mutwillige Störung des Signals nicht ausgeschlossen werden kann. Nach anfänglichen Meinungsverschiedenheiten vereinbarten die Europäische Union und die USA in einem Abkommen zukünftig für Galileo und GPS zwei von insgesamt drei Frequenzbändern gemeinsam zu nutzen - dadurch soll für beide Navigationssysteme eine verbesserte Ortung möglich sein.
Große Ziele: Vielfältige Anwendungsbereiche und Funktionen
So funktionieren GPS und Galileo
Foto: AFP
Die geplanten Einsatzgebiete für Galileo lassen sich grob in vier Bereiche gliedern.
Hauptbestandteil bildet ein kostenloser, unverschlüsselter Dienst (Open Service, OS), der generell
jedem offen steht, sei es für Navigationsgeräte in Autos oder die Orientierung mit dem
Smartphone. Zusätzlich wird ein kostenpflichtiges, verschlüsseltes Pendant angeboten
(HAS, High Accuracy Service, ehem. Commercial Service, CS), das eine Genauigkeit von unter einem Meter bieten soll. Seit 24. Januar 2023 werden allen Nutzern drei Frequenzbänder kostenlos und unverschlüsselt zur Verfügung gestellt, wodurch eine weltweite Genauigkeit von einigen wenigen Zentimetern erreicht werden kann.
Die Grundverschlüsselung verspricht zudem eine höhere Widerstandsfähigkeit gegen Störversuche.
Der Dienst könnte beispielsweise in der Landwirtschaft Anwendung finden oder für die Navigation
fahrerloser Autos von Bedeutung sein. Durch den High Accuracy Service wird angestrebt, langfristig den Betrieb von Galileo zumindest teilweise gegenzufinanzieren.
Auf einer gesonderten Frequenz wird ein ähnlicher Dienst als Public Regulated Service (PRS) angeboten, der ausschließlich staatlichen Sicherheitskräften wie Polizei und Zoll, aber auch dem Geheimdienst und dem Militär zur Verfügung steht. Dass Galileo nicht nur im zivilen Bereich Anwendung finden soll, sondern zukünftig auch für Operationen im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) bereitsteht, beschloss das EU-Parlament im Juli 2008.
Die vierte Aufgabe von Galileo wird auch als Search And Rescue (SAR) bezeichnet und erlaubt Such- und Rettungsdiensten die weltweite Ortung von Notsignalen zum Beispiel von Schiffen oder Flugzeugen. Einzigartig am Galileo-System ist, dass bei diesem Notsignal eine Zwei-Wege-Kommunikation möglich ist. Zusammen mit dem Empfang eines Notrufs und der übermittelten Position ist es Rettungsstellen möglich, eine Antwort an die Unglücksstelle zu senden.
Smartphones mit Galileo-Empfang
Offizieller Start von Galileo-Diensten im Dezember 2016
Zum offiziellen Start von Galileo am 15. Dezember 2016 waren erste Dienste für Privatnutzer, Firmen und Behörden verfügbar. Zuvor wurde bereits das BQ Aquaris X5 Plus als erstes europäisches Smartphone vorgestellt, das den Empfang von Galileo-Signalen unterstützte. Weitere Galileo-kompatible Smartphones waren beispielsweise das Huawei Mate 9 und Mate 9 Pro.
Durch ein entsprechendes Firmware-Update sollen laut Chiphersteller Qualcomm zukünftig alle wichtigen neueren Modelle mit verbauter Snapdragon-CPU auch Galileo-Signale empfangen können.
Unabhängige Infrastruktur für Europa angestrebt
Der Navigations-Nachzügler Galileo
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Der erfolgreiche Satellitenstart im November 2016 sowie die offizielle Inbetriebnahme des
Satellitennavigationssystems im Dezember 2016 lassen vermuten, dass es für Galileo bergauf geht.
Es bleibt zu hoffen, dass damit die langwierigen Verzögerungen der Planungsphase überwunden sind und
die weitreichenden Kinderkrankheiten der ersten Satellitenstarts kuriert wurden, damit das
Großprojekt trotz des milliardenschweren Finanzierungsaufwands doch noch ein Erfolg werden kann.
Am 12. Dezember 2017 starteten erneut vier Satelliten, die nach einer sechsmonatigen Inbetriebnahme in das Navigationssystem integriert wurden. Mit dem Start von zwei Satelliten am 5. Dezember 2021 umfasst die Galileo-Flotte inzwischen 28 der vorgesehenen 30 Satelliten. Bis Ende 2022 sollten alle 30 Satelliten in ihre Umlaufbahn gebracht werden, was aber nicht gelang. Diese sowie weitere acht geplante Starts der Träger-Rakete Ariane 6 sollen nun planmäßig 2023 und in den darauffolgenden Jahren erfolgen.
Auch die Entstehungsgeschichte des GPS-Systems war nicht ohne Rückschläge, doch muss sich Galileo aufgrund der Organisationsstruktur gegenüber der breiten Öffentlichkeit behaupten. So ist als wichtigstes Infrastrukturprojekt der EU-Kommission auch die zivile Aufsicht über das europäische GNSS ein Alleinstellungsmerkmal von Galileo im Gegensatz zum US-System GPS und den russischen und chinesischen Alternativen Glonass und Beidou, die sämtlich militärisch kontrolliert werden.

- GPS: Satelliten-Navigation & Positionsbestimmung
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