RCS: Der Provider-übergreifende SMS-Nachfolger
RCS: Messaging-Standard der GSMA
Logos: GSMA, Montage: teltarif.de
Nachdem sich die SMS in den 1990er- und frühen 2000er-Jahren als einer der größten Erfolgsprodukte und Geldeinnahmequellen für die Mobilfunk-Provider erwiesen hatte, wollten die Netzbetreiber einen Nachfolger etablieren, der einerseits die technischen Beschränkungen der SMS überwindet, aber andererseits gut bei den Kunden ankommt und weiterhin kräftig die Kasse bei den Anbietern klingeln lässt. Doch genau damit begann zunächst die Geschichte eines Misserfolgs.
Der erste SMS-Nachfolger, die MMS, funktionierte bei einem kompatiblen Gerät technisch zwar, war den meisten Kunden aber zu teuer und immer noch zu unflexibel. Kaum jemand war dazu bereit, für Nachrichten mit pixeligen Bildchen in Briefmarkengröße oder quäkenden Sounddateien jeweils 39 Cent zu bezahlen. Ab 2009 eroberten Smartphone-Messenger wie WhatsApp weltweit im Sturm die Smartphones der Nutzer, ohne nach Hersteller- oder Provider-übergreifenden Standards zu fragen.
Doch die Tatsache, dass insbesondere die großen Messenger-Anbieter aus den USA nach wie vor bei Fragen des Datenschutzes keine zufriedenstellenden Antworten geben, lässt immer mehr Smartphone-Nutzer nach einer Alternative rufen. Denn immer noch kann über Messenger nur kommunizieren, wer beim selben Dienst angemeldet ist - viele Nutzer vermissen die Netz- und Anbieter-übergreifende Einfachheit der SMS.
Die Antwort darauf lautet: Genau das gibt es bereits - mit dem Standard RCS, genannt Rich Communication Services. Und RCS setzt sich nun auch in Deutschland weiter durch.
Joyn: Erste erfolglose RCS-Versuche
RCS: Messaging-Standard der GSMA
Logos: GSMA, Montage: teltarif.de
Die deutschen Netzbetreiber hatten sich erst lange nach dem Erfolg von WhatsApp & Co. Gedanken darüber gemacht, was sie der Messenger-Übermacht aus den USA entgegensetzen könnten. Der erste Versuch ist allerdings gleich in die Hose gegangen: Mit einiger Verzögerung stand der Joyn genannte Dienst seit August 2012 für Kunden von Vodafone zur Verfügung, seit Anfang des Jahres 2013 auch für Kunden der Telekom, allerdings zunächst nur in einer Beta-Version. E-Plus hatte gar kein Interesse, und bei o2 verzögerte sich der Start immer wieder - bis 2015.
Bei Joyn haben die deutschen Netzbetreiber so gut wie alles falsch gemacht, was man falsch machen konnte: RCS war in Form von Joyn nur über Apps der Netzbetreiber verwendbar, oft funktionierte die Netz-übergreifende Kommunikation nicht. Auch die Mobilfunk-Reseller und Discounter blieben ausgeschlossen, was alles zusammen eigentlich gleich von Beginn an das Todesurteil von Joyn bedeutete. Preise zwischen 19 und 39 Cent pro Joyn-Nachricht (nach einer anfänglichen Gratis-Phase) wollte im übrigen auch kaum jemand bezahlen. Joyn wurde zwischen 2017 und 2019 überall wieder eingestellt.
Was ist eigentlich RCS?
Dabei hatte RCS eigentlich von Anfang an beste Voraussetzungen, der legitime Nachfolger der SMS zu werden. Nach ersten Branchen-Initiativen 2007 wurde die GSMA, also die GSM Association als Standardisierungsorganisation für Mobilfunk-Standards, 2008 der Koordinator für die RCS-Entwicklung. RCS ist im Gegensatz zu typischen Smartphone-Messengern keine rein Internet-basierte Chat-App, sondern ein Infrastruktur-basierter Netz-Dienst, so wie es zuvor die SMS und die MMS schon gewesen waren. Damit ist RCS per se unabhängig von einzelnen Netzbetreibern, Providern Herstellern oder Diensteanbietern - diese müssen sich nur dazu entscheiden, RCS zu unterstützen.
Ein wichtiger Entwicklungsschritt nach dem Joyn-Desaster war die Veröffentlichung des Standards "RCS Universal Profile" im November 2016. Damit wurden wichtige Funktionen wie die Netz- und Länder-übergreifende Kommunikation, Chat, Gruppenchat, Dateiübertragung, Audio-Messaging, Videofreigabe, Gerätefreigabe, erweiterte Anrufe, Standortfreigabe und Live-Vorschau beim Tippen eingeführt. Netzbetreiber, die das Universal Profile bereitstellen, garantieren die problemlose Kommunikation mit anderen Netzbetreibern weltweit.
Version 2.0 des "RCS Universal Profile" brachte 2017 Messaging als Plattform, APIs, Plug-In-Integration und eine verbesserte Authentifizierung und App-Sicherheit. "Messaging als Plattform" bietet Unternehmen die Möglichkeit, ähnlich wie bei WhatsApp Business, RCS als Kommunikationskanal mit Kunden zu verwenden, auch über Chatbots. Mit Version 2.4 von "RCS Universal Profile" wurde im Oktober 2019 die Plug-In-Integration wieder aus dem Standard entfernt, dafür wurde eine nahtlose Webansicht integriert.
Wie man es von Messengern kennt, kann der Nutzer per RCS also nicht nur Texte, sondern auch Bilder, Videos, Sprachnachrichten, Dateien oder den eigenen Standort übertragen. Auch die Gruppen-Kommunikation ist über RCS möglich.
Die RCS-Initiative von Google
Android Messages von Google: Eine der beliebtesten RCS-Apps
Logo: Android, Foto/Montage: teltarif.de
Nachdem RCS in zahlreichen Ländern erfolgreich eingeführt worden, in Deutschland aber auf keinen grünen Zweig gekommen war, ergriff plötzlich Google als Entwickler des Android-Betriebssystems 2016 das Heft des Handelns und verkündete, RCS in Android implementieren zu wollen. Das geschah dann 2017 durch die Integration von RCS in die bisherige SMS-App Android Messages. Seither steht RCS für Android-Smartphones nahtlos zur Verfügung, wenn es der eigene Netzbetreiber freigeschaltet hat. Im Dezember 2020 leitete Google die ersten Schritte für die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bei Android Messages ein, nachdem die App zuvor schon für die Nutzung im Desktop-Browser fit gemacht worden war. Weitere Details lesen Sie auf unserer separaten Ratgeberseite zu Android Messages.
Auch Samsung als weltgrößter Hersteller von Smartphones unterstützt seit 2018 RCS, und zwar in Form seiner App Samsung Messages. Seinerzeit hat Samsung bekannt gegeben, dass zwischen Samsung Messages und Google Android Messages eine nahtlose RCS-Kommunikation ermöglicht wird. Eher ein trauriges Thema ist RCS hingegen bei Apple-Nutzern: 2019 hatten die an RCS teilnehmenden Firmen zwar einmal massiv Druck auf Apple ausgeübt, RCS auf Apple-Geräten zu unterstützen, das ist aber bislang nicht geschehen. Zuletzt ließ Apple-Chef Tim Cook im September 2022 verlauten, dass es keine derartigen Pläne gibt.
Provider implementieren RCS netzseitig
Durch die Initiativen von Google und Samsung, die eine separate Entwicklung von RCS-Apps nun unnötig machen, sind seit dem Jahr 2021 weitere deutsche Anbieter auf den RCS-Zug aufgesprungen. congstar implementiert als erster deutscher Mobilfunk-Discounter RCS netzseitig, o2 möchte RCS als Kontaktkanal für seine Kunden anbieten.
Es bleibt also spannend, wie sich RCS in Deutschland weiter durchsetzen wird und ob der Standard jemals das Zeug dazu bekommen wird, die momentan noch allseits dominierenden, aber proprietären Smartphone Messenger abzulösen.

- Messenger: WhatsApp und die Alternativen
- Smartphone-Messenger auf dem Computer
- Business-Messenger: Slack, Threema & WhatsApp
- WhatsApp: SMS-Alternative und Video-Telefonie
- RCS: Der Provider-übergreifende SMS-Nachfolger
- Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bei Messengern
- Instant Messenger: Jabber-Protokoll / XMPP
- Digitaler Nachlass: Online-Accounts erben & vererben
Meldungen zu RCS
-
17.11.23MessengerApple: RCS für bessere Kommunikation mit Android kommtIm kommenden Jahr will Apple das iPhone für den SMS-Nachfolgestandard RCS öffnen. Die iMessage soll parallel erhalten bleiben. zur Meldung
-
17.10.23In die Uhr sprechenGoogle Messages für Wear OS bietet SprachnachrichtenWenn Ihnen bislang gesprochene Mitteilungen in Google Messages für Wear OS gefehlt haben, sollten Sie ein Update vollziehen. Die Funktion ist nutzbar, wenn auch rudimentär. zur Meldung
-
31.12.22VergleichWhatsApp & Co: Wo sind die Alternativen besser?Messenger werden heutzutage weniger auf dem Computer, sondern hauptsächlich auf dem Smartphone genutzt. Obwohl WhatsApp und Facebook Messenger die beliebtesten sind, gibt es sicherere Alternativen - wir stellen sie vor. zur Meldung
-
06.12.22Happy Birthday und AdieuGoogle gratuliert SMS und preist den Nachfolger RCS anWir befinden uns im Jahr 2022 nach Christus. Die ganze Mobilfunkwelt ist von RCS besetzt. Die ganze Mobilfunkwelt? Nein. Ein unbeugsamer Hersteller hört nicht auf, dem Dienst Widerstand zu leisten. Google tadelt Apple. zur Meldung