IFA 2023: Nostalgischer Rückblick und subjektive Kritik
Es war einmal eine Messe, die hieß "Internationale Funkausstellung". Dort gab es Radios und Fernsehgeräte, Tonband-Maschinen, Plattenspieler, High Fidelity (Hi-Fi) und so weiter. Da konnte man Programmmacher von Radio und TV treffen, mit ihnen fachsimpeln oder zuschauen, wie Programme gemacht werden.
Abgekürzt wurde die Internationale Funkausstellung mit "IFA". Mit Funk hat sie längst wenig zu tun, dafür mit Haus- und Küchengeräten, Apps und Zubehör. Die notwendigen Netze und Geräte dafür? Weitgehend Fehlanzeige. Die sind ja "eh da".
Am ersten Messetag pilgerten Fach- und Privatbesucher mit der S-Bahn zum Messeeingang Süd
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Rundfunk und Fernsehen: Verschwunden
Mit dem Start des Privat-Fernsehens stellten sich neue Programme vor. Das stadionartige Areal ist ideal für TV-Shows und Konzerte, die dann live übertragen wurden.
Spardiktat der Rundfunkbeiträge
ARD und ZDF stehen schon länger wegen ihrer "Zwangsgebühren" im Kreuzfeuer der Kritik. Viele Leute würden diese gerne einsparen. Weil ARD und ZDF daher sparen müssen, haben sie die IFA komplett verlassen, anstatt sich dort aktiv ihren Zuschauern und Zuhörern zu stellen und zu erfahren, wie künftig Programme aussehen könnten, wofür die Menschen gerne ihre 18,36 Euro im Monat (oder was es auch in Zukunft sein möge) bezahlen würden.
Zugang zum kleinen Stern, zum Funkturm oder dem ICC? Versperrt
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Telekommunikation? Beinahe verschwunden
Telekommunikation war folgerichtig das nächste Thema der IFA: Nutzer, Kunden, Händler, Verkäufer und Hersteller trafen sich, bestimmten die Trends und tauschten sich aus.
Vor 40 Jahren hatten CB-Funker sogar einen eigenen Stand auf dem IFA-Gelände. Ein paar Hallen weiter informierten lizenzierte Funkamateure über ihr Hobby, Kurzwellenfans erklärten den Empfang von weltweiten Radio-Signalen und stellten neue Geräte vor, welche die Hersteller gerne bereitstellten. Das alles war einmal - aber nicht ganz, wir kommen später noch darauf zurück.
Nicht mehr alle Handyhersteller da
Robuste Smartphones aus China mit Mediatek-Chipsatz und vielleicht seltenen Updates: Ulefone
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Handyhersteller wie Sony und Honor waren traditionell da, allerdings nutzte Honor kaum seine Chance, auf speziell für Europa gedachten Modelle oder Pläne genauer hinzuweisen. Nokia/HMD lud die Fachpresse zum "Get Together" ein, außerhalb der Messe. Für die Messefachbesucher wäre HMD am Stand vom Distributor Brodos zu finden gewesen. Das neue Fairphone 5 wurde hingegen allen Besuchern gezeigt, zerlegt und ausführlich erklärt.
Weniger bekannte Marken wie Ulefone (aus China) suchten Vertriebspartner, um ihre auf Android 12 oder 13 basierenden Modelle für den rauen Einsatz zu präsentieren. Verwendet werden Chipsätze von Mediatek, die in der Branche den Ruf haben, bei Android-Softwareupdates sehr "zurückhaltend" zu sein.
IFA kann sich neu erfinden
Während der Pandemie zeigte die IFA, dass eine solche Messe auch mit verschärften Hygiene-Regeln möglich ist. Dieses Jahr war die Messe wieder ganz normal geöffnet, und es herrschte geschäftiges Treiben in den Hallen. Also war alles wie immer? Nein.
Der rumänische Hersteller und Importeur "PNI" brachte nach jahrelanger Pause den CB-Funk auf die IFA zurück
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Wichtige Anbieter fehlen
Wer nach den wichtigen Telekommunikationsanbietern schaut, ist verloren. Zuletzt hielt noch die Deutsche Telekom die Stange, zeigte in einer eigenen Halle, was sie kann und was ihre Konkurrenz nicht schafft oder sich schlicht nicht traut. Draußen im Freigelände richtete sich einst congstar (im Telekom-Netz) an sein jüngeres Publikum. In diesem Jahr allerdings nicht.
Wer erinnert sich noch an Vodafone, die in Halle 18 oder 20 ihre Kunden vorbildlich betreuten (mit leistungsfähigem Kundenservice direkt am Stand), die Händler informierten, welche Produkte und Tarife sie bald verkaufen konnten und der Fachpresse bei hochkarätigen Infogesprächen tiefe Einblicke in die Netztechnik und die Zukunft der Branche gewährten?
Noch länger ist es her, dass VIAG Interkom (heute o2) als Newcomer an direkten Kundenkontakten interessiert war.
Service-Provider wie mobilcom-debitel, heute freenet, hatten wenigstens einen Truck im Freigelände.
Nobelmarken unter sich: Jura (Schweizer Kaffeemaschinen) und Miele (langlebige Haushaltsgeräte)
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Wo sind die Glasfaserausbauer, die Interessenverbände wie VATM, BREKO, Buglas etc.? Auch sie könnten in Berlin erfahren, wo den Endkunden der Schuh drückt.
Und wo war die Bundesnetzagentur? Ist sie ein zahnloser Tiger oder eine verkrustete Behörde oder ein wirksames Instrument des Verbraucherschutzes? Diese Fragen könnten in Berlin beantwortet werden.
CB-Funk wieder auf der IFA
Immerhin: PNI, ein neuer Hersteller/Importeur von CB-Funkgeräten aus Rumänien, traute sich auf die Messe und wurde von der Szene als Exot wahrgenommen. Der CB-Funk-Markt ist auf hohem Niveau derzeit recht ruhig. Das heißt, die Kunden kaufen Geräte, die sie vielleicht im Falle eines Falles einsetzen zu können glauben, aber im Alltag eher dann doch nicht. Die "Social Media"-Funktion des CB-Funks scheint in Vergessenheit geraten zu sein.
Was war nun auf der IFA?
Hightech-Spülmaschine von Miele für schlappe 2200 Euro mit Handysteuerung, automatischer Dosierung und vielem mehr
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Seit Jahren sind Haushaltsgeräte von klein bis groß dort zu finden wie in der "x.1-er" Ebene der Messehallen 1-6. Da kann man sich einen Kaffee bei Jura zapfen oder bei Miele edelste Waschvollautomaten oder Spülmaschinen der absoluten Oberklasse bestaunen, bei Liebherr sich über futuristische Kühltechnik informieren, alles zu Preisen, die einen frösteln lassen.
Dafür dürften diese Geräte (hoffentlich) "ein Leben lang" halten, dann wäre der Preis sogar gerechtfertigt.
Günstige Küchengeräte aus China: Beliebt sind "Air-Fryer" (Heißluft-Fritteusen), teilweise in einer Qualität, die schon bei der Vorführung erahnen lässt, dass der Kunde daran nur wenige Minuten Freude haben wird, falls überhaupt.
In der Halle der Expert-Handelskette gab es Infos und Entertainment
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Eine eigene Halle gab es für die Händlerkette "Expert". Dort war Leben, wie man es von früher gewohnt ist. Entertainment, Info - und auf kurze Distanz waren auch Gespräche in hohem Lärmpegel möglich.
Positiv: AVM
Positiv aufgefallen in Halle 10.2 ist der Router- und Netzwerkkomponenten-Hersteller AVM aus Berlin. Sein Stand war groß und hatte viel Platz. Interessierte konnten sich ausgiebig mit den Fachleuten an den Demo-Geräten austauschen, neue Ideen mitnehmen, wie das eigene Heim lebenswerter und automatischer werden könne. AVM hat verstanden, wie man seine Kunden erreicht.
AVM hat die Messe verstanden: Ein richtig großer Stand mit viel Information und Austausch
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Weitere Aussteller
Ansonsten gab es Hallen mit TV-Geräten, Kühlschränken oder Displayschutzfolien oder Powerbanks. Powerbanks gibt es in klassischer, handlicher Form, mit größeren kann man sein Campingzelt versorgen oder sogar ein Auto starten, auch nicht gerade neu.
Panzerglasfolien gab es hier und da zu sehen, um das kostbare Handy zu schützen. Oder man nimmt eine besonders stabil entwickelte Handhülle. Das Angebot ist unüberschaubar.
Schnellrundgang in zwei Stunden?
Wer schnell ist, kann in einem 1-2-stündigen Rundgang die IFA-Messe locker erkunden. Oder man kann sich noch im Freigelände umschauen, wo der Automobilhersteller Genesis (gehört zum Kia/Hyundai-Konzern) seine neuesten Fahrzeuge vorstellt.
Ausprobieren zu Hause - ohne Händler?
Der Wasserhahn ist digital und wird möglicherweise über eine App gesteuert
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Eine Probefahrt der Autos auf dem Messegelände war logischerweise nicht möglich. Wer mag, kann sich das Auto nach Hause liefern lassen, um in bekannten Gefilden Probe zu fahren. Auch hier findet ein Paradigmenwechsel statt.
Auf die Handywelt bezogen würde der Handyhersteller dem Kunden das neue Handy nach Hause schicken, ihn vier Wochen testen lassen und dann ein Angebot machen, was der Kunde nicht ablehnen kann.
Eine Messe ergibt weiter Sinn
Die IFA zeigt, dass an Messen weiterhin Interesse besteht. Nur fehlt eine Telekommunikationsmesse, wo Handyhersteller, Netzanbieter oder Service-Provider zum Anfassen vor Ort sind und nicht nur ihre neuen Geräte und Tarife anbieten, sondern auch mal im Gespräch mit echten Kunden zuhören, was die wirklich wollen. Die IFA war jahrelang die ideale Gelegenheit dafür. Die CEBIT ist längst Geschichte.
Bildschirmschutz durch Panzerglas-Klebefolien? Manche schwören drauf
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Wo sind sie hin?
Die Deutsche Telekom setzt große Stücke auf ihre Mega-Veranstaltung Digital-X, die am 19. und 20. September in großen Bereichen der Innenstadt von Köln stattfindet und auch für Privatkunden geöffnet wurde. Wer Zeit hat, sollte vorbeischauen, zumal der Eintritt kostenlos ist, allerdings ist eine Voranmeldung notwendig.
Vodafone konzentriert sich aktuell auf schicke TV-Werbespots, die supergünstige Geräte und Tarife und die Erfüllung aller Kundenwünsche versprechen.
Telefónica (o2) brütet intern wohl noch über den drohenden Kundenverlust von 11-12 Millionen ehemaligen 1&1 Kunden. Auf einer Messe wie der IFA hätte man im Gespräch mit den Kunden sicher manche Frage beantwortet bekommen.
1&1 wurde auf Messen bislang nicht gesichtet, auch hier wäre ein Paradigmen-Wechsel interessant.
Elektroautos von Genesis im Freigelände. Die Probefahrt findet später zu Hause statt
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Haben Sie was verpasst?
Nein, Sie haben nichts verpasst - je nach Standpunkt. Der Fachbesucher konnte auf ratlose Kollegen treffen, die sich beim leckeren Kaffee im Pressezentrum darüber austauschten, was man alles nicht verpasst habe und was sich in der Branche noch so tut. Das kann die schöne Online-Welt weiterhin nicht: ein Gespräch im kleinen Kollegen- oder Freundeskreis, wo neue Projekte besprochen oder ausgeheckt werden.
Was es sonst noch von der IFA in Berlin zu berichten gab, lesen Sie bei uns.
