Gutachter: Gutscheine könnten Glasfaserausbau ankurbeln
Um Glasfaser bis in die Häuser zu bekommen, braucht es Anreize. Vielleicht mit Gutscheinen?
Foto: Deutsche Glasfaser
Dass Glasfaser die Zukunft des Internets ist und die Auffahrt auf die Datenautobahn am besten auch per Glasfaser ins Haus oder besser bis an den Schreibtisch erfolgen sollte, ist längst bekannt. Bleibt die Frage, wie man Schwung in die Geschichte bekommen könnte, denn der Aus- und Umbau ist teuer und viele Kunden sind mit ihren Kupferanschlüssen völlig zufrieden. Daher sehen sie nicht ein, wofür der Vorgarten aufgegraben oder ein extra Loch ins Fundament gebohrt werden soll. Auch braucht man für die Glasfaserverlegung die erneute Zustimmung des Haus- und Grundstücksbesitzers, was im Einzelfall ziemlich schwierig werden kann, wenn die Eigentumsverhältnisse kompliziert sind.
Die Idee: Gutscheine
Um Glasfaser bis in die Häuser zu bekommen, braucht es Anreize. Vielleicht mit Gutscheinen?
Foto: Deutsche Glasfaser
Die Idee sind Gutscheine (englisch "Voucher"). Glasfaser-Gutscheine für Bürger und Unternehmen seien ökonomisch sinnvoll und notwendig, um die Nachfrage nach zukunftssicheren Glasfaseranschlüssen zu stärken und so den weiteren Glasfaserausbau zu forcieren. Das ist das Ergebnis eines heute vorgestellten Gutachtens [Link entfernt]
des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und der Kanzlei JUCONOMY Rechtsanwälte im Auftrag der Telekommunikationsverbände, BREKO (Breitbandkommunikation) und VATM (Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwerdienstleistungen).
Mit den Gutscheinen soll die Nachfrage nach Glasfaseranschlüssen bis in die Gebäude und direkt in die Wohnungen angekurbelt und der weitere Glasfaserausbau deutlich forciert werden. Diese Gutscheine seien nicht nur rechtlich zulässig, sondern auch ökonomisch sinnvoll und notwendig.
Drei Gutschein-Typen
Die Spezialisten haben ein vom BREKO und VATM vorgeschlagenes Modell aus drei unterschiedlichen Gutschein-Varianten untersucht.
- „Anschluss-Voucher“ in Wert von 500 Euro, der die Kosten für die Verlegung der Glasfaser vom Bürgersteig bis ins Haus/Gebäude teilweise decken würde
- „Inhouse-Verkabelungs-Voucher“ in Wert von 150 Euro pro Wohneinheit, der die Kosten für die Glasfaserverkabelung im Gebäude selbst bezuschusst
- „Vertragsabschluss-Voucher“ in Wert von 500 Euro, der die Einrichtungs- und monatlichen Kosten eines Internetvertrags mit mehr als 250 MBit/s über die Mindestvertragslaufzeit von 24 Monaten verringert. Bedingung ist ein Gigabit-fähiger und damit zukunftssicherer Glasfaseranschluss.
Gutscheine an Bürger und Unternehmen
Die vorgeschlagenen Gutscheine sollen sich insbesondere an Bürger und Unternehmen in Gebieten richten, in denen die Planung für den Glasfaserausbau (FTTB/FTTH) gerade erfolgt und die Glasfaserverlegung ansteht. Durch die Nachfrage-Voucher sei absehbar, dass die Gebiete zum Nutzen der Endkunden schneller und in verstärktem Maße erschlossen werden. Durch die „Erhöhung der Nachfrage (könne) eine eventuell bestehende Wirtschaftlichkeitslücke entfallen“, so die Experten.
Unbürokratisch vergebene Glasfaser-Gutscheine könnten kurzfristig dazu beitragen, Glasfaser-Ausbauprojekte umzusetzen, die ansonsten ohne weitere Fördermittel wirtschaftlich nicht rentabel realisierbar wären.
Die Idee ist schon gut gedacht: Durch eine höhere Auslastung der Glasfasernetze stehen dem ausbauenden Netzbetreiber in der Folge wieder mehr Investitionsmittel für den weiteren Glasfaserausbau zur Verfügung – eine Win-Win-Situation für Carrier und Nutzer; Hauseigentümer profitieren nicht zuletzt auch von einer Wertsteigerung ihrer Immobilien.
Open-Acess
Um den "Wettbewerb zu erhalten" und andere Anbieter nicht auszuschließen, setzt das von BREKO und VATM vorgeschlagene Modell auf eine "Open-Access-Verpflichtung", wodurch Dritte einen Netzzugang zu fairen Bedingungen erhalten. Sprich: Wer zu erst seine Glasfaser verlegt, soll eine Art Monopol erhalten, so dass ein zweiter Anbieter dann keine "parallele" Glasfaser zum Kunden legen darf. Im Gegenzug muss der Erstausbauer seine Faser auch anderen Anbietern vermieten. Falls im Streit um die Höhe der Kosten keine Einigung erzielbar ist, müsste die Bundesnetzagentur den Schiedsrichter spielen. Das könnte ein Wettlauf der Anbieter auslösen, die sich dabei ausrechnen, mehr Geld einnehmen zu können, wenn sie als "erster" ihre Glasfaser ins Haus bringen und andere Anbieter als Mieter ihrer Einrichtungen wissen.
Appell an die Regierung
BREKO-Geschäftsführer Dr. Stephan Albers und VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner appellieren daher an die Bundesregierung, Gutscheine für zukunftssichere Glasfaseranschlüsse schnellstmöglich in ihr Förderkonzept mit aufzunehmen und einen Teil der Fördermittel hierfür zur Verfügung zu stellen. „Eine Nachfrageförderung ist ein unverzichtbarer Baustein zur Erreichung der Gigabitziele der Bundesregierung“, sagen die Verbandsgeschäftsführer.
Neben den beiden Verbänden, die sich schon seit mehreren Jahren für eine solche Fördermöglichkeit stark machen, hatte auch die Monopolkommission bereits Ende 2017 empfohlen, die Förderung durch nachfrageorientierte Instrumente wie zeitlich befristete Gutscheine für Gigabit-Anschlüsse („Gigabit-Voucher“) zu ergänzen. Auch die EU-Kommission hatte – konkret im Falle von Griechenland – entsprechende Gutscheine vor kurzem für zulässig erklärt.
Die Gutachter: "Es macht volkswirtschaftlich absolut Sinn, wenn in einem Glasfaser-Ausbaugebiet so viele Haushalte wie möglich auch tatsächlich angeschlossen werden und die Digitalisierung Deutschlands mit ultraschnellen Anschlüssen weiter vorangebracht wird.“
Eine Einschätzung
In der Tat: Solche Gutscheine wären eine originelle Idee, um etwas Schwung in den Glasfaserausbau zu bringen. Die würden einfach an die angemeldeten Haushalte im Fördergebiet geschickt und könnten vielleicht langwierige Förderungsantrags- und Genehmigungsverfahren ersetzen. Dem Antrag wäre ein Ausdruck einer Speedtest-Messung beizufügen. Aber so einfache Verfahren sind in der Praxis viel zu einfach und haben daher wenig Chancen.
Nur liegen die neu genannten Summen etwa um die Hälfte oder noch niedriger als man bisher gelesen hat. Selbst wenn es den Protagonisten des "eigenfinanzierten bundesweiten Glasfaserausbaus" weh tut: Die Akzeptanz von FTTH bei Privathaushalten dürfte nur dann gegeben sein, wenn der einmalige Erst-Anschluss nicht mehr als ein erstmaliger Kupferanschluss kostet oder wenn bei neuen Ausbaugebieten der Erst-Anschluss kostenlos ins Haus gelegt wird. Für 500 Euro wird man niemals eine Leitung von der Straße bis ins Haus bekommen, mit klassischem Aufgraben, einer Bohrung oder einem Leerrohr-Schussverfahren. Selbst 1.000 Euro dürften da noch ziemlich knapp werden. Und für "nur" 150 Euro wird sich kaum eine Glasfaser vom Keller bis zur Wohnung ("inhouse") verlegen lassen. Zumal in Altbauten möglicherweise umfangreiche Kabeldurchbrüche oder Schlitzbohrungen oder Aufputzschienen im Treppenhaus zu verlegen sind.
Bei Gewerbe- oder Industriekunden sieht das sicher anders aus: Die brauchen schnellstmögliches Internet und haben vielleicht schon entsprechende technische Vorarbeiten geleistet, damit auf dem Gelände oder inhouse die Glasfasern zügig zum Anwender gelangen können.