Lagerfeuerromantik um die Steckdose
Die schöne Floskel, „Der Markt bedient die Nachfrage“ scheint sich zu bestätigen. Das Mobilfunknetz wird immer flächendeckender und die Roaming-Konditionen zunehmend attraktiver. So bekommt man sofort nach Grenzüberschreitung in vielen EU Ländern via SMS verheißungsvoll mitgeteilt, dass man SMS kostenlos empfangen könne. Zudem die entsprechenden Konditionen des jeweiligen Roaming-Partners.
Diese Entwicklung erstreckt sich sogar bis zu den entlegensten Winkeln. Ein Beispiel hierfür ist ein Campingplatz direkt an der französischen Atlantikküste inmitten eines Pinienwaldes gelegen. Der Ort ist auf keiner Karte verzeichnet, aber neuerdings überragt ihn ein Funkmast. Odaliskenhaft herrscht er über eine farbenfrohe Zeltlandschaft, in welcher die Bewohner mangels fehlender Elektrizität auf rudimentäre Behelfsmittel wie den Spirituskocher zurückgreifen. Dadurch gewinnen die Sanitärhäuser eine ganz neue Bedeutung als Ort der Begegnung. Das Scharen im Neonlicht um Steckdosen ersetzt die Zusammenkunft am Lagerfeuer. Mit Klappstühlen, Ladegeräten und Lesestoff ausgestattet ergießen sich Pilgerströme dahin, der Geruch des salzigen Atlantiks wird durch ein Gemisch aus Butan ersetzt.
Die Prioritäten und Anforderungen an die Vorstellung von Urlaub haben sich geändert. Ein Gefühl der Unabkömmlichkeit und dem Bedürfnis nichts verpassen zu dürfen, sind für viele wesentlicher geworden als eine kurzzeitige Flucht aus dem Alltag. Das kontemplative Moment verschwindet mitsamt des alten Kommunikationsmediums Postkarte. An ihre Stelle treten eine schnelle Bestandsaufnahme des Urlaubsortes und 160 Zeichen in stakkatohafter Sprache.
Trotz allem ist gegen die Zweckmäßigkeit des Handys im Urlaub jedoch gar nichts einzuwenden. Die Frage, die man sich dabei stellen sollte besteht allein darin, inwieweit die Notwendigkeit dafür besteht. Vielleicht kann sich jeder bei Gelegenheit dieser Frage stellen, um dann vielleicht festzustellen, dass man eigentlich nicht aus der Welt ist, sondern sich höchstens eine kleine Auszeit gönnt. Und selbst dem größten Handyfreund sei versichert, auch ein Urlaub geht mal vorbei...