Bundesregierung: Drei Modelle für Corona-Warn-App
Wer hat wann wen getroffen? Eine Corona-App soll es protokollieren.
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Die Bundesregierung hat für die geplante
Corona-Warn-App drei unterschiedliche technische Konzepte in der
näheren Auswahl. Das geht aus einer Antwort der Regierung auf eine
schriftliche Anfrage der Bundestagsabgeordneten Anke Domscheit-Berg
(Linke) hervor. Danach "betrachtet und bewertet" die Regierung nicht
nur das Konzept des Projekts Pepp-PT (Pan-European Privacy-Preserving
Proximity Tracing), sondern auch den rivalisierenden Ansatz DP-3T
(Decentralized Privacy Preserving Proximity Tracing) sowie die in
Österreich eingesetzte Lösung der Accenture GmbH.
Bei einem ersten Test eines Konzeptes für eine Corona-Warn-App mit Hilfe der Bundeswehr hatte die Bundesregierung noch auf das PEPP-PT-Konzept gesetzt, das von 130 europäischen Wissenschaftlern erarbeitet worden war, darunter auch Forscher des Robert Koch-Instituts. In einer heftig geführten Debatte um ein geeignetes Datenschutzkonzept war das PEPP-PT-Projekt allerdings in den vergangenen Tagen in die Kritik geraten. Rund 300 Experten unterzeichneten einen offenen Brief, in dem sie vor der Gefahr von Überwachung und Missbrauch bei einer zentralisierten Speicherung von Daten warnten. Sie unterstützen mehrheitlich das DP-3T-Konzept, das auch von der TCN Coalition befürwortet wird. Die TCN Coalition war aus mehreren Projekten des Hackathons der Bundesregierung #WirVsVirus hervorgegangen.
Ausschließlich freiwillige Nutzung
Wer hat wann wen getroffen? Eine Corona-App soll es protokollieren.
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Die Bundesregierung betonte in der Antwort auf die Anfrage, sie ziehe
ausschließlich eine Nutzung der Corona-Tracking-App auf freiwilliger
Basis in Betracht. Modelle und digitale Anwendungen müssten den
Vorgaben des Datenschutzrechts entsprechen, bei denen die
Datenverarbeitung auf Basis einer Einwilligung erfolge. Es dürften
auch keine Standortdaten erhoben werden. Außerdem müssten
höchstmögliche IT-Sicherheitsstandards eingehalten werden, die
Information der betroffenen Personen anonym erfolgen. Weiterhin solle
das Modell anwenderfreundlich konzipiert und technisch geeignet sein,
eine epidemiologisch nachvollziehbare Kontaktverfolgung zu
ermöglichen.
Domscheit-Berg, die netzpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, begrüßte, "dass die Bundesregierung entgegen bisheriger öffentlicher Äußerungen nicht nur die zunehmend umstrittene PEPP-PT-Variante berücksichtigt, die auf zentralen Datenabgleich setzt, sondern neben einer in Österreich eingesetzten proprietären App auch die dezentrale und offen gestaltete Variante DP-3T".
Die Bundesregierung sollte die Empfehlungen der EU-Kommission und des EU-Parlamentes ernst nehmen und nur noch den dezentralen Ansatz weiterverfolgen, sagte Domscheit-Berg der dpa. "Denn nur die Bereitstellung als Open Source, völlige Transparenz im Entwicklungsprozess und die Dezentralität des Datenabgleiches stellen sicher, dass der Datenschutz angemessen berücksichtigt wird." Nur bei diesem Verfahren würden Qualität und Akzeptanz der App so hoch sein, dass sie effektiv zur Eindämmung der Pandemie beitragen könne.
Verbände fordern schnelle Entscheidung
Der Expertenstreit um das beste Datenschutzkonzept für die geplante Corona-Warn-App stieß bei den Digitalverbänden Bitkom und BVDW auf scharfe Kritik. Es sei wichtig, die Entwicklung der Anwendung "nicht durch langwierige akademische Debatten noch weiter hinauszuzögern", sagte der Präsident des IT-Verbands Bitkom, Achim Berg, dem "Handelsblatt" (heutige Ausgabe).
Berg sagte, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft seien gefordert, "Vertrauen und Transparenz zu schaffen, damit sie so viele Menschen wie möglich nutzen werden". "Wir brauchen diese App jetzt und dürfen keine weitere Zeit verlieren."
In der Debatte geht es vor allem um die Frage, wie wirksam verhindert werden kann, dass die Daten von Corona-Tracing-Apps ausgespäht und ausgenutzt werden könnten. Der Bitkom erklärte, es sei nicht entscheidend, ob die App auf einer zentralen oder dezentralen Architektur aufbaue - beides lasse sich datenschutzkonform umsetzen. "Wesentlich ist, dass die verschiedenen nationalen Apps gut zusammenspielen und in der Bevölkerung hohes Vertrauen genießen", sagte Verbandspräsident Berg.
Sieben Corona-Apps bei Test in Niederlanden durchgefallen
Ein Test von sieben Corona-Warn-Apps hat in den Niederlanden große Mängel ans Licht gebracht. Keine der Apps habe sich bisher als geeignet erwiesen, räumte das Gesundheitsministerium in Den Haag gegenüber dem niederländischen TV-Sender NOS ein. Sieben Entwickler hatten sich am Wochenende dem Urteil von Dutzenden Experten gestellt. Diese hatten nach einem Bericht des Senders eine Reihe von gravierenden Mängeln festgestellt.
Sechs von sieben Apps wiesen Sicherheitslücken auf. Bei einem war sogar eine Datenlücke festgestellt worden. Fast alle der getesteten Apps hatten nach Ansicht der Experten Konstruktionsfehler. Die Apps waren von Technikern, Datenschützern, Juristen und Gesundheitsexperten getestet worden.
Die niederländische Regierung will eine App als Hilfsmittel zur Kontrolle der Corona-Infektionen einsetzen und so eine Lockerung der Maßnahmen ermöglichen. Sie wollte heute über das weitere Vorgehen entscheiden. Die auf dem Handy installierte App soll Bürger warnen, wenn sie in der Nähe einer mit dem Coronavirus infizierten Person gewesen waren.
Nach Bedenken von Datenschützern hatte die Regierung zugesichert, dass die Nutzung der App freiwillig sein solle.