Vertrauens-Missbrauch

Editorial: Tele2-Sanierung auf dem Rücken der Kunden?

Tele2 hat viel Vertrauen der Kunden verspielt
Von Thorsten Neuhetzki

Anfang der Woche gab der ursprünglich aus Schweden stammende Anbieter Tele2 bekannt, seine Tarife für Call by Call mit Beginn des Julis zu ändern. "Im gesamten Juli für 0,5 Cent pro Minute telefonieren" und "Außerdem: Preisgarantie bis Ende des Jahres verlängert" waren die Überschriften der über den Presseverteiler der dpa-Tochter ots verschickten Mitteilung. Vielmehr sind die beiden Aussagen derart verkürzt, dass sie zwar nicht falsch, aber unvollständig sind und die Aussagen deshalb von Großzahl der Leser falsch verstanden werden können. Unterm Strich sind die Konditionen der 01013 von Tele2 nämlich deutlich schlechter geworden und die Tarifgarantie wurde nur in Teilen verlängert.

Die Aussage, man könne "im gesamten Juli" für 0,5 Cent pro Minute telefonieren, ist nicht falsch. Jedoch wird ein Großteil der Leser der entsprechenden Mitteilung den Sachverhalt aufgrund der Überschrift anders verstehen, als er gemeint ist. Erst in der eigentlichen Mitteilung wird aufgezeigt, wann die 0,5 Cent pro Minute wirklich gelten: Nur zwischen 19 und 7 Uhr - also keinesfalls im gesamten Juli. Lediglich den ganzen Juli über in bestimmten Zeitfenstern.

Auch die Tarifgarantie für die 01013 wurde in der Tat verlängert - jedoch nur stark eingeschränkt. De facto wurde sie zumindest am Wochenende tagsüber abgeschafft und der geltende Tarif teilweise um das Zehnfache angehoben: Statt maximal 0,98 Cent pro Minute kosten Ferngespräche am Wochenende zwischen 7 und 19 Uhr nun 8,95 Cent pro Minute. Verbraucher, die sich auf die Aussage "Preisgarantie bis Ende des Jahres verlängert" und auf die Konstanz des Anbieters in den vergangenen Monaten verlassen, werden so schnell in die Irre geführt.

Werbespot für Verbraucher nur schwer zu verstehen

Ein Werbespot von Tele2, der aufgrund einer aktuellen 0,5-Cent-Promotion vermutlich erst im August im Fernsehen ausgestrahlt wird, aber bereits auf der Website des Unternehmens zu sehen ist, trägt nicht gerade zur Unterstreichung der Seriosität von Tele2 bei. "Schweinebillig. Jetzt mit der 01013 garantiert für unter einem Cent telefonieren. Einfach immer 01013 vorwählen", heißt es in dem Spot aus dem Off. Im Bild sieht der Kunde gerade einmal geschätzte drei bis vier Sekunden in einer kaum lesbaren Schriftgröße die Einschränkung der groß angepriesenen 0,98 Cent pro Minute. Von "einfach immer 01013 vorwählen" kann bei Tarifen von bis zu 8,95 Cent pro Minute keine Rede sein.

Sanieren treue Kunden ein angeschlagenes Unternehmen?

In den vergangenen zwei Jahren konnten die Kunden sicher sein, am Abend und Wochenende mit der 01013 günstig zu telefonieren. Das war selbst für Rentner, die sich von ihren Enkeln nur selten informieren ließen, eine sichere Empfehlung. Genau diese Kunden, die sich nur selten über Call-by-Call-Tarife informieren, werden nun hart getroffen und zahlen plötzlich bis zu zehn Mal mehr, denn die Minutenpreise lagen zuletzt deutlich unterhalb des garantierten Tarifs. Eine Stunde Kaffee-Plausch am Wochenende kostet somit nun nicht mehr maximal 58,8 Cent, sondern gleich 5,37 Euro, sofern es sich um ein Ferngespräch handelt.

Auf diesem Weg scheint sich Tele2 zu sanieren. Dazu passt auch, dass Tele2 vor kurzem die Monatskosten und Bereitsstellungsentgelte für DSL etwas angehoben hat. Denn dem schwedischen Konzern geht es schlecht. Gerade erst haben die Schweden ihre Töchter in Polen, Luxemburg und Liechtenstein verkauft. Bereits seit 2007 gibt es auch Gerüchte über den Verkauf der deutschen Tochter. Und in der Schweiz steht der Mobilfunkableger von Tele2 vor dem Aus.

Vertrauen der langjährigen, treuen Kunden verspielt

Ende des Jahres fällt die neue Tarifgarantie weg. Nicht auszuschließen, dass dann die komplette Nebenzeit verteuert wird. Tele2 dürfte sich selbst mit dieser Aktion einen Bärendienst erwiesen haben. Auch der gesamten Call-by-Call-Branche, die ohnehin unter der zunehmenden Verbreitung der Festnetz-Flatrates leidet und weniger Minuten umsetzt, hat Tele2 einen Bärendienst erwiesen. Denn mit der 01013 hat einer der letzten verbliebenen Anbieter ohne Tarif-Ping-Pong sich seinen Namen im Markt verspielt, indem man die Preise drastisch erhöht hat und auf diesem Weg die Kunden mehr oder weniger in die Kostenfallen-sichere Festnetz-Flatrate komplimentiert.

Kurzfristig werden die Kunden, die dem Anbieter jahrelang vertraut haben und von der Tarifumstellung nichts mitbekommen, nun 8,95 Cent pro Minute für ein Ferngespräch zahlen. Auf diesem Wege werden diese Kunden die am Abend geltenden 0,5 Cent pro Minute gegenfinanzieren. Auch werden sie die Bilanz "aufhübschen" und Tele2 kann Geld von ahnungslosen Verbrauchern "mitnehmen". Mittelfristig aber dürfte Tele2 die Resonanz ihrer bislang sicherlich treuen Kunden auf diese "Aktion" durch verminderte Nutzung zu spüren bekommen - nämlich dann, wenn die Kunden-Rechnungen bei der Nutzung der 01013 steigen statt sinken und deshalb die 01013 nicht mehr genutzt wird.

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