DSL-Markt: Wird Triple Play überschätzt?
Mit seinem neuen Deutschland-Chef Charles Fränkl schlägt der Hamburger Internetprovider AOL einen anderen Weg ein als viele der Konkurrenten. Während Anbieter wie 1&1 und freenet sowie die Vollanschlussanbieter wie Arcor und demnächst auch die T-Com auf höhere Bandbreiten und Fernsehen über das Internet setzen, konzentriert sich die derzeitige Nummer Vier auf dem deutschen DSL-Markt auf den Community-Gedanken, d.h. auf die Vernetzung der zurzeit mehr als eine Million DSL-Nutzer untereinander.
"Die Reise für AOL geht ganz klar in Richtung Web 2.0", erklärt deshalb Fränkl in einem heute veröffentlichten Interview mit der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ). "Unsere Kunden erwarten vom Internet mehr als Suche, E-Commerce und E-Mail. Sie suchen sich eine Plattform, um sich selber im Internet darzustellen und sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Das ist die nächste große Welle im Internet, viel wichtiger als Internet-Fernsehen."
"Erwartungen an Triple Play sind überhöht"
Charles Fränkl, AOL
Die Erwartungen an Triple-Play-Dienste -
Internet, Telefonie und Fernsehen über eine Leitung - sieht der
Schweizer, der zuvor für die Swisscom,
E-Plus und Vodafone
tätig war, wie zunächst im Mobilfunkbereich bei
UMTS als überhöht an. "Wenn im Netz nur
Fernsehen mit elektronischen Programmführern oder persönlichen
Videorekordern angeboten wird, steht das Internet in direkter Konkurrenz
zum wirklich sehr guten frei empfangbaren Fernsehen in Deutschland. Da
muss man sich schon sehr genau überlegen, ob sich eine Investition in
dieses Feld lohnt", sagt Fränkl gegenüber der FAZ. Er sei sich nicht
so sicher, dass es ein Format gebe, das den Kunden einen wirklichen
Mehrwert gegenüber dem Free-TV bietet. Dazu müssten schon - am besten
exklusive - interaktive Zusatzdienste her, die mit erheblichen
Investitionen verbunden seien.
Aus diesem Grund verhält sich AOL in Sachen Internet-Fernsehen erst einmal abwartend. Zwar bieten auch die Hamburger inzwischen in Zusammenarbeit mit der Telefónica in mittlerweile 25 Städten ADSL2+-Anschlüsse mit einer Datenrate von bis zu 16 MBit/s an, doch die Nachfrage der Kunden nach den schnelleren Anbindungen sei vernachlässigbar gering. "Wir können den Kunden nicht erklären, wofür sie 16 Megabit brauchen. Die ganze Industrie kann es nicht erklären", meint Fränkl. Das eigene Unternehmen werde nur dann Internet-Fernsehen anbieten, wenn es die Transportkosten für die Daten decken könne. Die Preise für den Datenverkehr, den die Provider an die Telekom zahlen müssen, sprächen allerdings eher dagegen.
"Mehr Bandbreite heißt nicht automatisch mehr Umsatz mit den Kunden", zitiert die FAZ den AOL-Chef. Auch die Konkurrenten seien sich noch nicht sicher, ob sich Internet-Fernsehen lohnt, aber aus Angst vor den Kabelgesellschaften, die neben Fernsehen jetzt auch Telefon und Internet anbieten, werde "einfach drauflos gebaut". Es werde am Ende aber nur ein Unternehmen geben, das mit Triple Play Geld verdienen werde, da es beliebig quersubventionieren könne. Nach Ansicht von Fränkl werden in diesem Jahr die Experimente mit Triple Play starten, um zu entscheiden, welche Modelle funktionieren. Noch gehe man aber zugangsorientiert in den Markt und wolle später die passenden Inhalte finden.