EU-Juristen: Anlasslose Vorratsdatenspeicherung "nicht mehr möglich"
Proteste gegen die Vorratsdatenspeicherung vor dem Brandenburger Tor.
Bild: dpa
Im Vorfeld der anstehenden Beratungen der Justizministerkonferenz [Link entfernt]
meldet der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, dass ihm interne
Informationen zugespielt worden seien. Danach hat der Juristische Dienst des
EU-Rates den EU-Justizministern in einer nicht-öffentlichen Ratssitzung am
6. und 7. Juni unter anderem mitgeteilt, dass die Ausführungen des Europäischen
Gerichtshofs in Ziffer 59 seines Urteils zur Vorratsdatenspeicherung
"nahe legen, dass eine allgemeine, voraussetzungslose Speicherung von
Daten künftig nicht mehr möglich ist".
Heiko Stamer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung erklärt dazu: "Die EU-Juristen bestätigen, dass die von der EU-Kommission geprüfte und von deutschen Innenministern und Polizeigewerkschaftsfunktionären geforderte Wiedereinführung einer verdachtslosen Totalerfassung unseres Kommunikations- und Bewegungsverhaltens keine rechtliche Grundlage hätte. Ich erwarte von unseren Justizministern, dass sie sich für die Grundrechte und gegen die absurden Forderungen einer neuerlichen Totalprotokollierung einsetzen."
Nach Ansicht des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung sind nun alle Justizminister aufgefordert, auf ihrer Konferenz in dieser Woche dem Antrag des Landes Sachsens zuzustimmen, "von gesetzgeberischen Maßnahmen zur Wiedereinführung einer anlasslosen und verdachtsunabhängigen Vorratsdatenspeicherung abzusehen". Stamer ergänzt: "Wegen der grenzüberschreitenden Kommunikation und aus Verantwortung für die Privatsphäre in den übrigen EU-Staaten fordern wir darüber hinaus ein ausdrückliches EU-weites Verbot anlassloser Vorratsdatenspeicherung. Europa muss ein Raum der Freiheit werden und keiner des Misstrauens oder des Generalverdachts."
Vorratsdatenspeicherung beeinträchtigt Demokratie
Proteste gegen die Vorratsdatenspeicherung vor dem Brandenburger Tor.
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Aus Sicht der im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, in dem sich
Datenschützer, Bürgerrechtler und Internetnutzer zusammen geschlossen haben,
ist eine verdachtsunabhängige und wahllose Vorratsspeicherung von
Telekommunikationsdaten für viele Bereiche der Gesellschaft sehr
schädlich. Sie beeinträchtige vertrauliche Kommunikation in Bereichen,
in denen Menschen auf Vertraulichkeit angewiesen seien (beispielsweise Kontakte zu
Psychotherapeuten, Ärzten, Rechtsanwälten, Betriebsräten, Eheberatern,
Kinderwunschzentren, Drogenmissbrauchsberatern und sonstigen
Beratungsstellen) und gefährde damit die körperliche und psychische
Gesundheit von Menschen, die Hilfe benötigen, aber auch der Menschen aus
ihrem Umfeld.
Außerdem beschädige es die Pressefreiheit, wenn Journalisten Informationen elektronisch nur noch über rückverfolgbare Kanäle entgegen nehmen können, was wiederum elementare Funktionsbedingungen einer freiheitlichen demokratischen Gesellschaft beeinträchtige. Die verdachtsunabhängige und wahllose Vorratsdatenspeicherung schaffe Risiken des Missbrauchs und des Verlustes vertraulicher Informationen über persönlichen Kontakte, Bewegungen und Interessen. Telekommunikationsdaten seien außerdem besonders anfällig dafür, von Geheimdiensten ausgespäht zu werden und Unschuldige ungerechtfertigt strafrechtlichen Ermittlungen auszusetzen.
Dass Geheimdienste weltweit eifrig dabei sind, selbst Telekommunikationsdaten zu sammeln und auszuwerten, ist spätestens seit den Veröffentlichungen von Edward Snowden und dem dadurch ausgelösten NSA-Skandal kein Geheimnis mehr.