Autonomes Fahren

Selbstfahrende Autos: Wer braucht schon 5G?

Auto­nomes Fahren soll eine der Killerap­plika­tionen für 5G sein. Doch weder die EU noch die Auto­indus­trie ist sich da ganz sicher. Schließ­lich gibt es ja auch noch WLAN und LTE. Und beides ist sofort verfügbar.
Von Wolfgang Korne
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Auch bei der neuen Mobil­funk­genera­tion 5G stellt sich eine Frage, die sich viele Mobil­funk­nutzer bereits bei 4G gestellt haben: Braucht man das wirk­lich? Die Mobil­funk­indus­trie beant­wortet diese Frage natur­gemäß mit einem „Ja“ und führt dabei unter anderem die Auto­indus­trie und das selbst­fahrende Auto als Kron­zeugen an. Aller­dings: Das berühmte Google Car fährt auch ganz ohne Mobil­funk­verbin­dung und nur auf seine Sensoren gestützt. Es fährt langsam, aber es fährt.

LTE und WLAN bieten Alter­nativen

In Österreich kommunizieren bald WLAN-Boxen mit Autos. In Österreich kommunizieren bald WLAN-Boxen mit Autos.
Bild: Asfinag
Und auch wenn man Funk­technik zur Unter­stüt­zung der Fahr­zeug­steue­rung nutzen will, gibt es Alter­nativen. Beispiels­weise den bereits fertigen Stan­dard C-V2X, der LTE nutzt. Oder auch den WLAN-Stan­dard 802.11p und darauf aufbauend die „Dedi­cated Short Range Commu­nica­tion“ (DSRC), auch ITS-G5 genannt. Damit können beispiels­weise Stau­meldungen und Navi­gati­onsdaten zum Auto über­tragen werden, auch mobile Nach­richten- und Unter­haltungs­dienste sind denkbar. Eine bereits genutzte Anwen­dung für den WLAN-Dienst ist die Mauter­fassung, wie sie etwa in Italien, Öster­reich und Frank­reich üblich ist.

Auch die EU-Kommis­sion hat im März dieses Jahres vorge­schlagen, beim vernetzten Fahren zunächst auf den WLAN-Stan­dard zu setzen. Dagegen haben sich vor allem die Mobil­funk­anbieter, aber auch Auto­konzerne wie BMW gewehrt. Sie bevor­zugen die Mobil­funk­netze als Basis.

G5 vs. 5G

Zumin­dest bei den Mobil­funkern ist die Reak­tion verständ­lich. Sie bauen für viel Geld eine neue Tech­nologie auf und wollen sie auch genutzt sehen. Und zumin­dest auf dem Papier ist die WLAN-Technik LTE-V2X und vor allem 5G unter­legen. Zwar ist auch G5 reak­tions­schnell und arbeitet in einem speziell dafür reser­vierten Frequenz­spek­trum von 5,9 Giga­hertz. Und es bietet derzeit sogar noch einen deut­lichen Kosten­vorteil bei der Ausrüs­tung von Fahr­zeugen. Es ist aber deut­lich lang­samer bei der Daten­über­tragung und gilt nur als Über­gangs­lösung. Und vor allem ist keines­wegs geklärt, wie ein solches System euro­paweit finan­ziert werden soll.

LTE-V2X hingegen gilt bei seinen Kriti­kern als noch nicht ausge­reift, für den rauen Auto­einsatz wird ihm mangelnde Robust­heit zuge­schrieben. Aber auch 5G hat so seine Problem­chen: Die Sender sind teuer und das Über­tragungs­verfahren ist kompli­zierter als bei WLAN. So gibt es beispiels­weise aufgrund der genutzten Frequenzen immer noch Probleme, die komplexe Empfangs- und Sende­tech­nologie unauf­fällig und vor allem effi­zient im Auto unter­zubringen.

Tatsache ist aber, dass Funk­technik, egal ob LTE-V2X, 5G oder ITS-G5, viele Vorteile bringt. So können die Autos auch unter­einander kommu­nizieren, etwa um auf die Sensor-Daten des voraus­fahrenden Fahr­zeugs zuzu­greifen und so die eigene Reich­weite zu erhöhen. Rettungs­dienste können eine Auffor­derung senden, die Rettungs­gasse vor ihnen frei zu machen. Die Fahr­zeuge können Funk­barken bekommen, die die Posi­tion an andere Autos melden. Das kann beispiels­weise die Sicher­heit bei unüber­sicht­lichen Ausfahrten oder vor Kuppen erhöhen.

Öster­reich prescht vor

Der öster­reichi­sche Auto­bahn­betreiber ASFINAG macht unter­dessen Nägel mit Köpfen und setzt auf die WLAN-Tech­nologie. Das Unter­nehmen will bis 2023 bis zu 500 WLAN-Boxen neben Auto­bahnen und Schnell­straßen aufbauen. Damit sollen, so die ASFINAG, künftig „wich­tige Infor­mationen ausge­sendet und von WLAN-taug­lichen Fahr­zeugen auch empfangen werden können“.

Aller­dings: 5G ist damit noch nicht aus dem Rennen. Die Entschei­dung, jetzt auf diese Tech­nologie zu setzen, habe keinen Einfluss auf andere, zukünf­tige ergän­zende Tech­nolo­gien, wie etwa die Mobil­funk­tech­nologie 5G. „Aber WLAN ist ausge­reift und sicher“, ist ASFINAG-Geschäfts­führer Bernd Datler über­zeugt.

Weswegen 5G trotzdem ins Auto einziehen wird

Einen Unter­stützer bekommt die ASFINAG durch VW. Volks­wagen hat die Seri­enein­führung der WLAN-Tech­nologie in einem der nächsten Fahr­zeuge bereits ange­kündigt. Weitere Hersteller planen eben­falls in den nächsten Fahr­zeug-Genera­tionen die WLAN-Tech­nologie einzu­bauen, zum Beispiel auch um die teil­auto­mati­sche Fahrt in LKW-Konvois zu unter­stützen („Platoo­ning“). Dabei über­nimmt nur noch das erste Fahr­zeug die Lenkung. Alle anderen Fahrer haben dann Pause und durch das Wind­schatten-Fahren wird viel Sprit gespart. Zudem kann der Abstand der LKW auf 15 Meter schrumpfen, was die Last­wagen-Kolone deut­lich verkürzt und den Verkehrs­fluss verbes­sert. Das System ist aber noch in der Erpro­bung, es sind noch eine ganze Reihe von Fragen zu klären. Alex­ander Doll, Bahn-Vorstand für Güter­verkehr, Logistik und Finanzen, schätzt, dass es noch bis Mitte oder Ende der 2020er-Jahre dauert, bis das System praxis­reif ist.

Alles für die Sicher­heit

In Öster­reich soll die Technik als Zwei-Wege-Kommu­nika­tion genutzt werden. Von den Fahr­zeugen können Infor­mationen an die ASFINAG gesendet werden, um so andere Verkehrs­teil­nehme­rinnen und Verkehrs­teil­nehmer besser mit Updates entlang der Strecke versorgen zu können. Der ASFINAG geht es dabei vor allem um die Sicher­heit. So können zum Beispiel Infor­mationen über Fahr­strei­fensperren, Baustellen, Tempo­limits, Pannen oder Unfälle entlang der Strecke direkt ins Fahr­zeug gesendet und dort via Bord­computer ange­zeigt werden. Von der Betrei­berge­sell­schaft gesen­dete Infor­mationen werden auto­matisch in die Sprache des Herkunfts­landes des Fahr­zeugs über­setzt.

Platooning ist noch in der Testphase. Platooning ist noch in der Testphase.
Bild: picture alliance/Bernd Settnik/dpa-Zentralbild/dpa
Also braucht man doch kein 5G? Frank Fitzek, Inhaber des Telekom-Lehr­stuhls für Nach­rich­tennetze an der TU Dresden, glaubt doch. In einem Beitrag für die Webseite car-it.com sagt er: „Ohne 5G wird man beim hoch auto­mati­sierten Fahren auf vieles verzichten müssen, auf Sicher­heit und auf zügiges Voran­kommen zum Beispiel.“

5G ermög­licht neue Anwen­dungen

Es gibt nämlich Anwen­dungen, bei denen der 5G-Stan­dard mit seinen kurzen Latenz­zeiten und seiner Ausfall­sicher­heit unab­dingbar scheint. Schon jetzt ein beliebter Show­case: Die Fern­steue­rung von Fahr­zeugen, bei der es auf mini­male Latenz­zeiten ankommt. Eine solche Steue­rung könnte wichtig bei einem Notfall werden.

Oder das Beispiel Stadt­verkehr: An Ampeln könnten die Fahr­zeuge durch 5G alle gleich­zeitig losfahren. Der Zieh­harmo­nika-Effekt wird vermieden und der Verkehrs­fluss opti­miert. Zumin­dest theo­retisch: Hand­gesteu­erte Oldtimer dürfen dann wohl keine mehr vor der Ampel warten.

Und damit diese Visionen wahr werden, muss 5G flächen­deckend verfügbar sein. Bis dahin wird es aber noch eine Zeit lang dauern. Eine Zeit, in der die Auto­konzerne auch weiterhin inno­vative Autos verkaufen wollen. Und die werden dann eben mit der verfüg­baren Technik ausge­rüstet werden. Es wird also wahr­schein­lich so kommen, wie Datler es prophe­zeit: 5G wird im Auto der Zukunft Einzug halten, aber nur als Ergän­zung zu bestehenden Systemen.

Mehr über die LTE- und WLAN-Technik für das auto­nome Fahren und den poli­tischen Streit dahinter können Sie übri­gens in einem weiteren Bericht lesen.

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